NERIT - Athen sendet wieder öffentlich-rechtlich
Die Schließung des Staatssenders ERT vor elf Monaten wirkt noch immer nach
Die Sendeanstalt Nea Elliniki Radiofonia, Internet kai Tileorasi (Neues Griechisches Radio, Internet und Fernsehen) ist in die Fußstapfen der im vergangenen Juni über Nacht geschlossenen ehemaligen öffentlich-rechtlichen Sender getreten. Das Programm von NERIT beschränkt sich in den ersten Tagen auf die Ausstrahlung von Nachrichtensendungen, inländischen und ausländischen Serien und Filmen aus Archivbeständen der alten ERT. Schritt für Schritt sollen neue Programmpunkte hinzu kommen. »Unsere erste Priorität war es von Anfang an, die NERIT vor den Wahlen auf Sendung zu bringen, um ein Gleichgewicht herzustellen«, erklärte Vorstandschef Giorgos Prokopakis. Dafür soll es jeden Dienstag Informationssendungen zu den am 25. Mai anstehenden Wahlen für die griechischen Kommunen und das Europäische Parlament geben. Kritiker bezweifeln jedoch, dass NERIT das versprochene Gleichgewicht auch wirklich herstellen wird. Denn nicht nur der Leiter der Sendeanstalt, sondern die gesamte Führungsspitze von NERIT wird von einem der griechischen Regierung unterstehenden Gremium bestimmt.
Damit wurden der neuen Sendeanstalt die selben Möglichkeiten zu Korruption und Gefälligkeitsjournalismus in die Wiege gelegt, die nach Aussage des damaligen Rundfunk- und Fernsehministers Pantelis Kapsis zur Schließung der alten ERT geführt haben. Auf Anweisung von Ministerpräsident Antonios Samaras waren die Sendeanstalt Hals über Kopf abgeschaltet und alle etwa 2600 Angestellte entlassen worden. Als sich diese daraufhin, unterstützt von Tausenden Bürgern, mit der Besetzung des Senders in Athen und der Ausstrahlung eines vollwertigen Programms über Internet zur Wehr setzten, nannte das Samaras »die letzten Zuckungen eines zusammenbrechendes Systems von Privilegien«.
Wenn es beim öffentlich-rechtlichen Sender zu Verschwendung gekommen sei, so säßen die Verantwortlichen dafür in der Regierung, hatten die entlassenen ERT-Mitarbeiter damals in einem offenen Brief an Samaras geantwortet. Während bereits seit Monaten Beschäftigte mit Zeitverträgen entlassen worden waren, hätten »die von der Regierung des Herrn Samaras eingesetzten Verwaltungsspitzen« Berater zu »exorbitanten« Gehältern eingestellt und »in Vetternwirtschaft« Verträge mit externen Produzenten abgeschlossen. Nun wird befürchtet, dass dies bei NERIT ebenso gehandhabt werden könnte.
Die ERT-Schließung und der Widerstand dagegen führten im Vorjahr fast zum Sturz der Regierung. Aus Protest gegen die an den beiden kleineren Koalitionsparteien vorbei getroffene einsame Entscheidung des Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der größten Regierungspartei Nea Dimokratia hatte die sozialdemokratische DIMAR von Fotis Kouvelis all ihre Minister und Staatssekretäre aus dem Kabinett abgezogen. Der ebenfalls übergangene PASOK- Parteichef Evangelos Venizelos verzichtete angesichts der drohenden Neuwahlen zähneknirschend auf einen solchen Schritt und sicherte Samaras damit den Erhalt der allerdings nur noch knappen Mehrheit im Parlament.
Übergangsweise hatte Minister Kapsis bereits im August mit wenigen ehemaligen ERT-Mitarbeitern einen Fernsehkanal unter dem Namen Dimosia Tileorasi (DT - Öffentliches Fernsehen) in Betrieb genommen. In die neue, nur noch mit zwei statt bisher drei landesweiten Fernsehkanälen und wenigen Rundfunksendern ausgestattete NERIT wurde ebenfalls lediglich ein kleiner Teil der ehemaligen ERT-Angestellten übernommen. Die übrigen warten bis heute vergebens auf die vollständige Auszahlung der ihnen rechtlich zustehenden Abfindungen und andere ausstehende Zahlungen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.