Schein und Sein in Speyer

Der Touristenservice der Domstadt arbeitet mit Billigstkräften - und diskriminiert diese

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter der Regie des örtlichen Vereins zur Förderung der Beruflichen Bildung werden beim City Service Speyer Langzeitarbeitslose eingesetzt. Ein Blick hinter die Kulissen der weltberühmten Domstadt.

Das pfälzische Speyer ist ein Touristenmagnet, besonders im Sommer. Kein Wunder, die ehemalige Reichsstadt mit Ursprüngen in der Römerzeit gehört zu den ältesten Siedlungen der Republik. Für die meisten Besucher sind Mitarbeiter des Speyerer City Service die ersten Ansprechpartner. Von Mai bis Oktober stehen die freundlich lächelnden Damen und Herren mit ihren roten Hemden rund um eine Hütte auf dem zentralen Festplatz zwischen Dom, Rheinufer und Technikmuseum. Dort geben sie erste Auskünfte und Hinweise auf Sehenswürdigkeiten rund um den romanischen Dom, der auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO steht.

Irgendwie idyllisch, doch der Schein trügt. Speyer machte schon 2007 Schlagzeilen, als dort ein psychisch kranker arbeitsloser Hartz IV-Bezieher verhungerte und die zuständigen Behörden alle Verantwortung von sich wiesen. Auch der in jenen Jahren gegründete Speyerer City Service hat viel mit Hartz IV zu tun. Denn die hier Beschäftigten sind keine städtischen Tarifkräfte, wie man meinen könnte. Vielmehr werden beim City Service nach kurzer Einweisungsphase Langzeitarbeitslose eingesetzt - als billige Saisonkräfte im Rahmen einer »Arbeitsgelegenheit« unter der Regie des örtlichen Vereins zur Förderung der Beruflichen Bildung (VFBB).

Dass dies nicht ganz freiwillig geschieht und der Umgang mit den Beschäftigten durchaus fragwürdig ist, bestätigte uns auf Anfrage ein gelernter Industriekaufmann, der nach seiner Lehrzeit nur befristet weiter beschäftigt wurde und schließlich ins Hartz IV-System geriet. Auf Wunsch möchte er anonym bleiben. 2013 war er vom Jobcenter zum City Service vermittelt worden, obwohl er überzeugt war, dass ihm die vorgeschlagene Tätigkeit mit einem Stundenlohn von 1,25 Euro bei der Jobsuche nicht helfen würde.

Der selbstbewusste junge Mann bekräftigte auf »nd«-Anfrage seine Kritik an Missständen rund um den City Service Speyer. So habe er die Abrundung der Cent-Beträge auf einen glatten Euro-Betrag bei der Einkommensabrechnung hinterfragt. Als Reaktion habe man ihm sogar die Möglichkeit zu Mehrstunden zur Aufstockung des kargen Einkommens verweigert. Des Weiteren habe er entgegen der Beschäftigungsvereinbarung über die Arbeitsschutzkleidung keine Regenjacke für Einsätze bei nasser Witterung erhalten.

»Als ich mich um eine Klärung der Frage der Mehrstunden bemühte, eskalierte die Situation. Es endete mit meinem Rauswurf zum 1. August 2013«, berichtet der Mann. Der vom VFBB an das Jobcenter übermittelte Abschlussbericht zu seinem Einsatz beim City Service enthalte viele Unwahrheiten. »Aufgrund des Berichts wurde ich vom Förderprofil zum Stabilisierungsprofil herabgestuft.« Mit diesem Stigma sei ihm auch der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen verwehrt.

»Ich wollte nur eine Klärung, aber die wurde mir systematisch verweigert«, so der junge Mann. »Diese Einträge müssen rückgängig gemacht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.«

Auch eine Kollegin, die damals beim City Service eingesetzt war und sich beim gerichtlichen Nachspiel als Vertrauensperson anbot, fühlte sich durch die VFBB-Geschäftsleitung diskriminiert und würdelos behandelt - wegen ihres Engagements. Als sie dies bei einer Besprechung äußerte, reagierte VFBB-Geschaftsführerin Doris Eberle Medienberichten zufolge mit der Aussage: »Das können Sie jetzt ruhig in die rassistische Schublade stecken.« Für die Frau, deren Großeltern als Sinti und Roma vom NS-Regime verfolgt wurden, eine besonders schmerzhafte Aussage.

Folgt man Medienberichten, dann hat Eberle ihre Worte hinterher bedauert. Doch eine schriftliche Entschuldigung habe die VFBB-Chefin bis heute nicht abgegeben, erklärt die betroffene Frau gegenüber »nd«. Der erst Ende April zugestellte Abschlussbericht über ihre »Maßnahme« auf dem Festplatz sei unsachlich, einseitig und diskriminierend.

»Die spielen ihre Macht gegen Leute aus, die sich für ihre Rechte einsetzen. Das lasse ich nicht auf mir sitzen«, sagt die nach wie vor erwerbslose Frau. Eine weitere ehemalige Teilnehmerin der Maßnahme bestätigte den Sachverhalt gegenüber »nd«: »Die wurden diskriminiert, weil sie sich nicht alles gefallen ließen.«

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