Keine Sekunde mehr Nachtruhe

Verhandlungen über erweitertes Flugverbot in Schönefeld endgültig gescheitert

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlin und der Bund stellen sich erwartungsgemäß quer. Brandenburg ist enttäuscht. Die Wirtschaft und die FDP jubeln.

Es kam, wie es anscheinend kommen musste. Jede Minute mehr Nachtruhe am Großflughafen BER in Schönefeld würde den Anwohnern helfen, hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vorher gebettelt. Doch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kam am Mittwoch mit leeren Händen zum Treffen der drei Airportgesellschafter nach Potsdam. Nicht eine Sekunde billigte er Brandenburg zu. Auch der Bund sperrte sich.

Die Verhandlungen über mehr Nachtruhe sind damit endgültig gescheitert. Die volle Verantwortung dafür haben der Bund und Berlin, erklärte Woidke. Diese hatten zuvor in der Gesellschafterversammlung den Antrag Brandenburgs abgelehnt, das gültige Nachtflugverbot von 0 bis 5 Uhr auf die Zeit von 22 bis 6 Uhr auszudehnen. Auch den Kompromissvorschlag, wenigstens von 0 bis 6 Uhr auf Starts und Landungen zu verzichten, schmetterten Bund und Berlin ab. Woidke sagte: »Der heutige Tag hat eindeutig offenbart, wer auf dem Bremspedal steht, wenn es um die Anwohnerinnen und Anwohner des BER geht.«

Der Ministerpräsident bedauerte: »Die heutige Weigerung der Mitgesellschafter müssen wir hinnehmen.« Denn vor der Gesellschafterversammlung stellte sich in der gemeinsamen Landesplanungskonferenz von Berlin und Brandenburg heraus, dass es über Raumordnung und Landesplanung »keine rechtlich zulässige Möglichkeit« gebe, ein erweitertes »Nachtflugverbot für den bereits planfestgestellten BER durchzusetzen«, wie Woidke berichtete. In dieser Frage bestehe zwischen Berlin und Brandenburg keine Meinungsverschiedenheit.

Wowereit verwahrte sich gegen die Kritik Woidkes, Berlin exportiere seinen Fluglärm nach Brandenburg. »Das Land Brandenburg profitiert erheblich von diesem Flughafen«, betonte der Regierende Bürgermeister. Die Wirtschaft jubelte. Das Flugverbot von 0 bis 5 Uhr sei »bereits eine Kompromisslösung zwischen den Interessen der Anwohner und denen der Flughafengesellschaft«, argumentierte Christian Amsinck von der Vereinigung der Unternehmensverbände. Das Passagieraufkommen in der Region sei in den vergangenen zwei Jahren stärker gestiegen als im Bundesgebiet. Nur mit den zwei Stunden am Abend und der einen Stunde am Morgen »können wir das damit einhergehende Wachstums- und Beschäftigungspotenzial des Flughafens voll ausschöpfen«, sagte von Amsinck.

Für die Industrie- und Handelskammer Cottbus meinte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger: »Mit der heutigen mehrheitlichen Entscheidung sollte die Diskussion um die Erweiterung des Nachtflugverbots beendet werden.« Der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer reagierte: »Endlich mal eine gute Entscheidung im Zusammenhang mit dem BER. Ein verschärftes Nachtflugverbot wäre wirtschaftlich einer Selbstamputation gleichgekommen.« Ähnlich dachte einst auch die märkische SPD. Doch nach langwierigen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner LINKE rangen sich die Sozialdemokraten Anfang 2013 dazu durch, ein Volksbegehren für Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr anzunehmen und darüber mit Berlin und dem Bund zu sprechen. Böse Zungen behaupteten gleich, die märkische SPD wolle nur zum Schein verhandeln. Das alles sei ein abgekartetes Spiel, hieß es.

»Mitgesellschafter sind mit Brandenburg Schlitten gefahren - nun muss der Landesplanungsvertrag gekündigt werden«, verlangte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. LINKE-Landesvorsitzender Christian Görke glaubt: »Die Initiatoren des Volksbegehrens werden es nicht hinnehmen«, dass ihre Wohnorte »zum Lärmmüllplatz werden«.

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