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Platz zwischen allen Stühlen

Mit diesem Wochenende endet die Amtszeit des DGB-Chefs Michael Sommer

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 4 Min.
Bis heute hält Michael Sommers Zerwürfnis mit Gerhard Schröder an, dem er kürzlich nicht mal zum 70. Geburtstag gratuliert haben soll. Dabei hätte es zwischen dem DGB-Chef und dem SPD-Kanzler etwas werden können.

Dass die in dieser Woche veröffentlichte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung als Abschiedsgeschenk für Michael Sommer gedacht war, würden die beiden für sie verantwortlichen Forscher gewiss weit von sich weisen. Aber irgendwie kann das Papier dem 62-Jährigen, der mit diesem Wochenende seine zwölfjährige Amtszeit als DGB-Chef beendet, doch als Bestätigung dienen. Denn auch wenn darin konstatiert wird, dass die Gewerkschaften in Deutschland, die seit 1992 einen Aderlass von Millionen Mitgliedern hinnehmen mussten, die ganz große Trendwende noch nicht geschafft haben, attestiert man ihnen durchaus einige Erfolge: unter anderem sei der Mitgliederschwund - zumindest vorläufig - gestoppt worden. Fast sechseinhalb Millionen Arbeiter und Angestellte sind heute Mitglied in einer der acht Mitgliedsgewerkschaften. Nicht nur Sommer weiß, dass sich gerade hinter dieser lakonischen Bestandsanalyse eine Menge Arbeit verbirgt. Und wer wüsste besser als er, wie viele Enttäuschungen wegzustecken waren.

Als Sommer im Mai 2002 an die Spitze des größten Dachverbandes der Gewerkschaften gewählt wurde, lagen schließlich schon vier Jahre Rot-Grün hinter dem Land - und die Aufbruchstimmung gerade bei vielen Gewerkschaftsmitgliedern nach den 16 bleiernen Kohl-Jahren war längst der Ernüchterung gewichen. Und doch ahnten damals weder der frisch gekürte, dynamisch wirkende Vorsitzende mit dem sympathisch offenen Lächeln noch viele seiner Mitstreiter in den Einzelgewerkschaften, die in der Mehrzahl ihre politische Heimat in der SPD gefunden hatten, in welche Zerreißprobe sie ihr Wunschkanzler Gerhard Schröder führen würde. Knapp ein Jahr nach Sommers Inthronisation - im März 2003 - ließ der Mann aus dem Kanzleramt mit der Agenda 2010 jedoch die Katze aus dem Sack. Die SPD- wie Gewerkschaftsbasis erschauderte, protestierte, wandte sich zornig gen links oder rechts oder zog sich abwinkend ganz und gar zurück.

Ein Thema, das den DGB-Chef das Lächeln gefrieren ließ, wahrscheinlich nicht unschuldig an seinen Magengeschwüren war und bis heute umtreibt - obwohl der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in einem Akt der Wiedergutmachung Sommer sogar 2011, wenn auch vergeblich, einen Platz im Parteivorstand angeboten hatte. Die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern der sogenannten Arbeitsmarktreformen zwischen Hartz I und IV insbesondere in der SPD-Spitze und den Gegnern dieses vorhersehbaren sozialen Kahlschlags vornehmlich in Gewerkschaftskreisen hatte ihm schließlich nach Schröders Agenda-Rede nicht nur einmal den undankbaren Platz zwischen allen Stühlen zugewiesen. Dass er dabei oft eine unglückliche Figur gemacht hat, verschweigt Sommer im Rückblick ebenso wenig, wie sein bis heute anhaltendes Zerwürfnis mit Gerhard Schröder, dem er kürzlich nicht einmal zum 70. Geburtstag gratuliert haben soll.

Dabei hätte das zwischen Schröder und Sommer etwas werden können. Ihre Lebensgeschichte verlief zumindest in Jugendtagen ähnlich - nur dass der Gewerkschaftsmann nicht ganz so häufig damit hausieren geht wie der Altkanzler: die Mütter alleinstehende Kriegswitwen, die ihre Söhne in den schweren Nachkriegsjahren und gegen den piefigen vorurteilsbeladenen Zeitgeist der 50er und 60er Jahre der jungen Bundesrepublik durchbringen mussten, Studium mit Nebenjobs oder umgekehrt, Visionen, Tatendrang, Ehrgeiz, SPD-Mitgliedschaft und Abstecher nach weiter links - Schröder bei der Stamokapfraktion, Sommer in der SEW... Nur, dass der Gewerkschaftsmann nicht etwa machtbewusst dereinst am Tor der DGB-Zentrale in Düsseldorf gerüttelt hätte. Über einen Ferienjob bei der Post gelangte er zur Postgewerkschaft, später Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, er war Pressesprecher, Redenschreiber, Abteilungsleiter, Vizechef und endlich DGB-Vorsitzender.

Man wisse schließlich, was man aneinander habe, beschied Sommer im Mai 2002 - lange noch vor Magen- und Gallenoperation und Nierenspende für seine Frau bedeutend gesünder aussehend - den PDS-Vertretern auf dem traditionellen Parteienabend des DGB-Kongresses in Berlin. Das war, nachdem der neue Vorsitzende schon SPD, CDU und Bündnisgrünen (die FDP kommt seit jeher bei dem Gewerkschaftertreffen nicht vor) seine Aufwartung gemacht hatte, sichtlich müde war und erklärtermaßen einfach nur noch ein Bier trinken wollte. Den wenigen Worten, die mancher im Kreise dennoch als Zeichen einer gewissen Akzeptanz oder Vertrautheit gewertet hatte, sind - zumindest nach außen hin sichtbar - wenige Taten gefolgt.

Auch als 2005 eine ganze Gruppe von Gewerkschaftsfunktionären, insbesondere aus der IG Metall, mit der WASG eine neue Partei gründeten, die sich später mit der PDS zur Linkspartei zusammenschloss, war das Verhältnis des DGB zu ihnen nicht immer eitel Sonnenschein. So einig man sich bei der Ablehnung von Hartz IV, im Kampf um Mindestlohn oder für eine Reichensteuer auch immer ist und war - die Genossen sahen sich vor jeder in Sommers Amtszeit fallenden Bundestagswahl bemüßigt, an die vielbeschworene Überparteilichkeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes erinnern zu müssen.

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