Wahlen, Wahlen, Wahlen
Der Berliner Parteitag der Linken im Liveblog: Samstag und Sonntag
Sonntag
15 Uhr: Der Parteitag ist zu Ende. Das letzte Wort hatte Matthias Höhn. Inzwischen sind auch die Ergebnisse der weiteren Mitglieder des Parteivorstandes bekannt. Wir sagen mit Wahlergebnissen: Bis zum nächsten Mal.
Tempel, Frank - mit 286 Stimmen (57,09 Prozent)
Al-Dailami, Ali - mit 273 Stimmen (54,49 Prozent)
Lederer, Klaus - mit 251 Stimmen (50,10 Prozent)
Seifert, Ilja - mit 237 Stimmen (47,31 Prozent)
Schirdewan, Martin - mit 232 Stimmen (46,31 Prozent)
Gehrcke, Wolfgang - mit 227 Stimmen (45,31 Prozent)
Häber, Florian - mit 223 Stimmen (44,51 Prozent)
Wolf, Harald - mit 215 Stimmen (42,91 Prozent)
Harzer, Steffen - mit 211 Stimmen (42,12 Prozent)
Bierbaum, Heinz - mit 204 Stimmen (40,72 Prozent)
Brix, Arne - mit 196 Stimmen (39,12 Prozent)
Hunko, Andrej - mit 189 Stimmen (7,72 Prozent)
Hartmann, Stefan - mit 188 Stimmen (37,52 Prozent)
Bockhahn, Steffen - mit 187 Stimmen (37,33 Prozent)
Merk, Xaver - mit 178 Stimmen (35,53 Prozent)
Löser, Torsten - mit 164 Stimmen (32,73 Prozent)
Höne, Marco - mit 161 Stimmen (32,14 Prozent)
10.50 Uhr: Die Vorstellungsrunden für den erweiterten Parteivorstand laufen weiter. Das wird auch noch eine Weile dauern. Auch deshalb wurde eine für den Verlauf des letzten Tages im Velodrom geplante Debatte über das in der Partei umstrittene Bedingungslose Grundeinkommen gestrichen - um den Zeitverlust bei der Vorstandswahl auszugleichen. Es werde eine Konferenz zu dem Thema organisiert, so lautet der Kompromiss.
10.05 Uhr: Und nun weiter - Vorstandswahlen.
9.55 Uhr: Eigentlich sei die frühe Stunde ja nicht seine Zeit, leitet Gregor Gysi seine Rede am Sonntagmorgen ein. Und dann startet er seine seiner Weckruf-Reden. Die LINKE habe ein Alleinstellungsmerkmal im Ukraine-Konflikt, sagt er. »Unsere Stärke besteht darin, dass wir niemals einseitig an diesen Konflikt herangegangen sind«, dies unterscheide seine Partei von allen anderen. »Die Differenziertheit ist das Entscheidende, das uns hier ausmacht.« Unter Berufung auf die Ostpolitik Willy Brandts verlangt Gysi die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands, aber auch Polens und der baltischen Länder zu respektieren. Eine Ausdehnung der NATO gen Osten dürfe es allerdings so wenig geben wie eine Stationierung von zusätzlichen Truppen in den östlichen NATO-Staaten. Auch zum Freihandelsabkommen zwischen EU und USA sowie zur Geheimdienstaffäre um Edward Snowden äußert sich Gysi. »Was mich so ankotzt, ist dieses Duckmäusertum, dieses Katzgebuckele gegenüber der USA-Regierung«, redet er sich in seiner Kritik gegenüber der Bundesregierung in Rage. Pünktlich nach einer halben Stunde endet Gysi. Unter Hinweis auf eine Veranstaltung im Deutschen Theater sowie eine Reise nach Moskau, die er am Mittag antreten will. »Ich will meinen Beitrag zur Deeskalation leisten«, sagt er.
9.30 Uhr: Jetzt spricht Gregor Gysi. Er appelliert an den Parteitag, im Ukrainekonflikt nicht so einseitig zu werden wie viele Medien und andere Parteien. Die Linke müsse ihre Differenziertheit bei dem Thema bewahren.
9.20 Uhr: Der dritte Tag des Parteitags ist läuft schon ein paar Minuten. Zum Auftakt wurden die Ergebnisse für die Wahlen zum Parteivorstand - Frauenliste - bekanntgegeben. Die Abstimmung hatte gestern Abend begonnen, die Auszählung wurde am Sonntagmorgen nochmal wiederholt - weil es knapp war. gewählt sind:
Sabine Wils - mit 271 Stimmen
Christine Buchholz - mit 239 Stimmen Kerstin Köditz - mit 233 Stimmen Johanna Scheringer-Wright - mit 230 Stimmen Katharina Dahme - mit 226 Stimmen Katina Schubert - mit 220 Stimmen Judith Benda - mit 218 Stimmen Anne Geschonneck - mit 218 Stimmen Halina Wawzyniak - mit 214 Stimmen Dagmar Zoschke - mit 212 Stimmen Pia Barkow - mit 211 Stimmen Marika Tändler - mit 211 Stimmen Nina Eumann - mit 187 Stimmen Ruth Firmenich - mit 187 Stimmen Karin Kaschuba - mit 185 Stimmen Anja Mayer - mit 174 Stimmen Irene Müller - mit 174 Stimmen Juliane Pfeiffer - mit 170 Stimmen Claudia Haydt - mit 165 Stimmen
nicht gewählt wurden:
Renate Harcke
Lucy Redler Jutta Meyer-Siebert Andrea Küntzer Janina Herff Heidrun Dittrich Gabriele Ungers
Sonnabend
23 Uhr: Die Auszählung läuft ... das Ergebnis gibts dann am Sonntag.
22.50 Uhr: Der Wahlgang für die Frauen im Parteivorstand hat begonnen.
22.15 Uhr: In Berlin läuft auf dem Bundesparteitag der Linken immer noch die Vorstellung der Kandidatinnen für den Parteivorstand.
20.55 Uhr: Matthias Höhn, alter und neuer Bundesgeschäftsführer, macht im Namen des Tagungspräsidiums auf ein Problem aufmerksam: Der vereinbarte Zeitplan zur Wahl des erweiterten Vorstandes reicht nicht aus, der Parteitag liegt im Zeitminus. Höhns Vorschlag lautet: am Sonntag eine Stunde früher beginnen, also schon um acht.
20.45 Uhr: Thomas Nord ist im zweiten Wahlgang als Bundesschatzmeister gewählt, auf ihn entfielen 52,9 Prozent. Raju Sharma erhielt 44,2 Prozent.
20 Uhr: Matthias Höhn ist mit 391 Stimmen - das sind 76,67 Prozent - als Bundesgeschäftsführer wiedergewählt.
19.35 Uhr: Jetzt die Rede von Syriza-Chef und der Spitzenkandidat der Europöischen Linken, Alexis Tsipras. Er spricht Englisch, die meisten Delegierten lesen gebannt auf dem Bilschirm auf der Bühne mit. Das bremst die Stimmung.
19.30 Uhr: Es war vielleicht der kniffligste Moment des Parteitags bisher - als Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn an das Pult tritt, um sich erneut für das Amt zu bewerben. Das schien für einen kurzen Augenblick nicht mehr so sicher. »Als Mitglied des Forums demokratischer Sozialismus bin ich euch sehr dankbar«, beginnt Höhn seine Rede mit Blick auf die Nichtwahl von Dominic Heilig, »dass ihr uns diese Auszeit gegeben habt. Die Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden war für mich auch eine wichtige Entscheidung für die Frage, ob ich als Bundesgeschäftsführer erneut kandidieren möchte«. Er stehe hier, um es zu tun, sagt Höhn. Und das gibt viel Beifall, im dem auch so etwas Erleichterung anklingt. Die Mehrheit des Parteitages habe es nicht gewollt, sagt Höhn mit Blick auf Heilig, »einen weiteren profilierten Reformer in die Parteispitze aufzunehmen«. Er habe immer den Ausgleich gesucht, müsse aber »immer wieder hören, dass das Forum demokratischer Sozialismus in ein Licht gestellt wird, wo es nicht hingehört. Ich will, dass damit Schluss ist«. Höhn plädiert für mehr Vertrauen in der Partei, der Bundesgeschäftsführer will nicht mehr hören, dass Linkenpolitikern von Parteifreunden vorgeworfen wird, sie würden das friedenspolitische Profil der Partei zur Disposition stellen. Der Parteivorstand habe ihn in den vergangenen zwei Jahren »nicht in jeder Frage unterstützt«, sagt Höhn dann noch - er hoffe darauf, dass der neue Vorstand ihn öfter unterstütze. Kurz darauf treten Katja Kipping und Bernd Riexinger ans Saalmikro. Kipping dankt Höhn für seinen Einsatz in den vergangenen zwei Jahren; Riexinger sagt, für ihn gelte uneingeschränkt dasselbe.
19.20 Uhr: Die Wahl zum Schatzmeister ist ausgezählt, aber keiner der beiden Kandidaten hat die nötige Mehrheit erreicht. Thomas Nord erhielt 249 Stimmen, das sind 48,54 Prozent; Raju Sharma erhielt 237 Stimmen, das waren 46, 2 Prozent. Damit muss ein weiterer Wahlgang erfolgen. Das Ergebnis ist eine Klatsche für die beiden wiedergewählten Vorsitzenden, die sich deutlich für Nord ausgesprochen hatten.
18.25 Uhr: Die Ergebnisse der Wahlen zu den Vizeposten sind bekanntgegeben worden. Caren Lay ist als stellvertretende Parteivorsitzende knapp wiedergewählt worden - mit 55,24 Prozent. Janine Wissler tritt mit einem weit besseren Ergebnis die Nachfolge von Sahra Wagenknecht an - sie erhält 83,05 Prozent. Als weitere Stellvertreter wurden Axel Troost (54,94 Prozent) und Tobias Pflüger (53,99 Prozent) gewählt. Dominic Heilig schaffte den Sprung auf einen Vizeposten nicht, er erhielt 48,92 Prozent. Das Forum demokratischer Sozialismus, das Heilig unterstützt hatte, beantragte unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses eine fünfzehnminütige Pause, um sich zu beraten.
18.15 Uhr: Nun stellt sich Thomas Nord mit seiner Bewerbung als Hauptkassierer vor. Er erklärt, er habe sich entschlossen, für das Amt zu kandidieren, als es »Gerüchte« gegeben habe, dass der Amtsinhaber Raju Shamra nicht mehr kandidiert. Als dieser dann doch ins Rennen ging, hätten ihn die alten und neuen Vorsitzenden Kipping und Riexinger gebeten, seine Kandidatur aufrechtzuerhalten. Nord spricht von einem »Konflikt im Vorstand«. Danach gibt es Fürreden unter anderem von Kipping und Riexinger, was als ungewöhnlich gelten kann. Riexinger sagt, es müsse »ein Mindestmaß an vertrauensvoller Zusammenarbeit geben«, dies sei bei Nord der Fall - und viele im Saal verstehen: Bei Raju Sharma also nicht? Kipping erklärt dann noch, es handele sich nicht um eine Strömungsfrage, sondern um eine des Arbeitsverständnisses. Auch Jan van Aken wirbt für Nord. Dann kommt Raju Sharma an die Reihe, er erklärt, dass er sich nicht gerade bliebt gemacht habe damit, dem Vorstand der Linken auch einmal zu sagen, dass nicht alles Wünschenswerte auch finanzierbar sei. »Meine Aufgabe ist es, das Geld zusammenzuhalten«, sagt Sharma - dafür habe er auch Bundestagsabgeordnete daran erinnert, dass sie ihren Beitrag bezahlen. Die Arbeit als Hauptkassierer wolle er fortsetzen, sagt Sharma: »Ich bin Euer Schatzmeister, wenn ihr mich wollt.« Unterstützung erhält er unter anderem von Vertretern der Zusammenschlüsse, etwa von der Kommunistischen Plattform, obgleich diese politisch nicht unbedingt Sharma nahestehen dürfte.
18.10 Uhr: Noch einmal ein Nachtrag zum Beschluss des Parteitags, die Fraktion im Bundestag aufzufordern, bis Ende des Jahres eine quotierte Doppelspitze zu wählen. Der Kollege Meisner vom »Tagesspiegel« hat einen O-Ton von Sahra Wagenknecht eingeholt: »Ich gehe davon aus, dass wir im Vorstand der Fraktion und der Fraktion darüber diskutieren, wie wir das umsetzen.« Der Antrag ist mit 220 Ja-Stimmen beschlossen worden, 193 votierten dagegen, 26 enthielten sich. »Eigentlich stehen die Wahlen zum Fraktionsvorstand erst im Herbst kommenden Jahres neu an. Wagenknecht sagte dem «Tagesspiegel» nach der Entscheidung, sie habe den Antrag mit der Nummer P.6. zuvor gar nicht gekannt.
17.40 Uhr: Das Thema Frieden ist die Gretchenfrage der Linken auf diesem Parteitag - es kommt niemand daran vorbei. Bei Nachfragen zu den Vize-Bewerbern steht das Thema im Vordergrund, selbst Axel Troost, eigentlich ein wirtschaftspolitisches Schwergewicht, drapiert das Rednerpult mit einer Pace-Fahne.
17.35 Uhr: Axel Troost, der sich als Dritter für einen der beiden Vizeposten bewirbt, kommt erst einmal mit ein bisschen wirtschaftlichem ABC - will aber «nicht nur gefühlloser Ökonom sein. Es lohne sich für Veränderung und Friedenspolitik zu Kämpfen. Die Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring wirbt für Troost und verweist auf seine wirtschaftspolitische Kompetenz und seine Arbeit in der alternativen Memo-Gruppe. »Gehts um Finanzen, führt kein Weg an Axel vorbei.« Möhring betont zudem die Rolle von Troost als »WASG-Urgestein« - er sei ein Mann der eher leisen Töne. Auch der Europakandidat Thomas Händel unterstützt Troost.
17.25 Uhr: Tobias Pflüger, der in Hamburg ebenfalls nicht den Sprung auf die Liste schaffte, pocht in seiner Bewerbungsrede vor allem auf das friedenspolitische Profil der Linken. Er kritisiert die Militarisierung der Außenpolitik der Bundesregierung, die Deutschland in »immer mehr Kriege führen« wolle. Pflüger wirbt für sich unter anderem mit dem Hinweis, dass er am Abend zuvor »in Pendeldiplomatie« für das Zustandekommen des Kompromissantrags zur Ukraine beigetragen habe. Für Pflüger wirbt unter anderem Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, die betont, dass Pflüger kein Parlamentsmandat habe. Ähnlich hatte zuvor auch schon Dietmar Bartsch bei Heilig argumentiert - das nichtparlamentarische Moment im Vorstand müsse gestärkt werden.
17.15 Uhr: Als nächster hat sich Dominic Heilig vorgestellt. Der Europapolitiker war auf dem Hamburger Listenparteitag knapp unterlegen, rückt in seiner Bewerbungsrede in Berlin vor allem europapolitische Fragen ins Zentrum. Fürreden kommen von der Thüringer Landesvorsitzenden Susanne Hennig, Fraktionsvize Dietmar Bartsch, der unter anderem auf die ostdeutsche Herkunft von Heilig verweist, auch Anny Heike aus dem Landesverband Bayern wirbt für ihn - sie hoffe, dass so endlich auch mehr Europa im Vorstand ankomme. Nach seiner Position zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr angesprochen, verweist Heilig auf den Kompromiss im Erfurter Grundsatzprogramm der Linken - darin werden Kampfeinsätze im Auslands abgelehnt.
17.05 Uhr: Um kurz nach halb fünf gab es noch eine längere Auseinandersetzung um den Antrag P.6 - der ist deshalb interessant, weil er die Linksfraktion auffordert, »bis zum Ende des Jahres eine quotierte Doppelspitze zu wählen«. Die Frage ist seit langem schon in der Bundestagsfraktion umstritten, bisher ist Gregor Gysi dort der alleinige Chef - und hat bisher nicht danach ausgesehen, als ob er daran etwas ändern möchte. Der Antrag der Kreisverbände Bielefeld, Gütersloh und anderen erhält - nach Auszählung - die Mehrheit.
17 Uhr: Jetzt stellen sich die Bewerberinnen für die Stellvertreterposten vor - es werden insgesamt vier gewählt, erstmal aber die beiden Frauen: den Anfang macht Caren Lay, ihr folgt Janine Wissler.
16.40 Uhr: Die alten Vorsitzenden der Linken sind die neuen - das ist keine Überraschung. Als eine dürfte es angesehen werden, dass Katja Kipping mit 77,25 Prozent wiedergewählt wurde, Bernd Riexinger allerdings mehr als zehn Prozent mehr erhielt, nämlich 89,69 Prozent.
16.15 Uhr: Während noch ausgezählt wird, kommen wieder ein paar Anträge an die Reihe. Es geht um den Umgang mit dem Thema Prostitution (der Antrag wird abgelehnt), um eine Kampagne gegen das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP oder um eine Regelung für die Gewährung von Fahrtkostenvorschüsse und Verpflegungspauschalen geht.
15.45 Uhr: Katja Kipping und Bernd Riexinger stellen sich nochmal vor. Sie sind dem Parteitag eigentlich schon ganz gut bekannt, aber so ist nun mal das Verfahren. »Unsere Aufgabe ist es nicht, dem Zeitgeist hinterherzudackeln«, sagt Kipping. Es solle stattdessen um den Demokratischen Sozialismus gehen. Bei Katja Kipping gibt es dazu keine Nachfragen, die Sache geht schnell. Bernd Riexinger sagt, er habe sich eigentlich gar nicht vorstellen wollen, schließlich sei er davon ausgegangen, dass man ihn hier inzwischen ganz gut kenne. Riexinger sagt dann natürlich doch etwas, etwa, dass die Partei »Integration« braucht. Das zielt auf die Streitkultur der Linken. Die solle »ganz klar Mitgliederpartei und Bewegungspartei« sein - da habe man »noch viel Spielraum nach oben«. Dann kommen Stichworte: Jugendoffensive, Kampagnenfähigkeit. Riexinger will nicht nur Fordeurngen auf dem Papier, sondern eine, die sich in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen auch wirklich einmischt.
15.35 Uhr: Also erstmal und na klar - Verfahrensfragen. Es geht um die Redezeiten der Kandidaten. Zehn, vier und drei Minuten stehen zur Wahl. Katja Kipping tut kund und zu wissen, dass Bernd Riexinger und sie ohnehin ihre zehn Minuten nicht auszuschöpfen beabsichtigen; schließlich haben beide schon lange Reden gehalten. Dann geht es ganz schnell: Drei Minuten werden vereinbart. Die Parteivorsitzenden, so schlägt es die Wahlkommission vor, sollen in einem Gang gewählt werden, das spart Zeit und findet rasch die Zustimmung des Parteitages. Bei Gegenkandidaten wäre das zwar schwierig, aber die gibt es ja nicht. Vereinbart wird zudem, dass für die Wahl der Mitglieder der engeren Parteiführung die absolute Mehrheit der Delegierten gelten soll. Für den erweiterten Vorstand soll ein 25-Prozent-Quorum gelten - und gegebenenfalls Stichwahl. Ida Schillen aus Mecklenburg-Vorpommern beantragt, die Wahl über 21.00 Uhr hinaus zu verlängern und erst 23.00 Uhr zu beenden. Der pünktliche Beginn der geplanten Parteitagsparty ab neun ist damit gefährdet, was einige möglicherweise beunruhigt. Doch der Zeitplan bleibt: Getanzt wird ab neun.
15.05 Uhr: Am Ende ihrer Rede - es ging zuvor unter anderem um Feminismus, die Landtagswahlen und Rot-Rot als Brandenburger »Exportschlager« - wird Katja Kipping noch einmal grundsätzlich. Sie erzählt vom Besuch von einer Aufführung von Brechts »Kaukasischen Kreidekreis« - das sich aktuell interpretieren lasse. »Dass da gehören soll, was da ist, denen, die gut für es sind«, endet das Stück - und Kipping nimmt den Faden auf: dieser Anspruch stelle »die gegenwärtigen Macht- und Eigentumsverhältnisse grundlegend in Frage. Generationen von linken hätten diese in Frage gestellt, dies sei auch weiter das Vermächtnis der Linkspartei. Kipping fordert, «immer wieder die Frage» zu stellen: Wem gehört die Welt? Wem soll sie gehören?
14.55 Uhr: Markus Decker schreibt in seinem Kommentar in der «Berliner Zeitung» unter anderem: «Die Linke ist so stabil wie lange nicht mehr. Doch um noch mehr zu erreichen, müsste sie sich ändern. Das fällt den Genossinnen und Genossen schwer.»
14.40 Uhr: Auch die Linkenvorsitzende beginnt ihre Rede mit dem Thema Ukraine. 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs seien die Herrschenden «kein bisschen schlauer geworden», sagt Katja Kipping - und fordert: «Hört auf zu eskalieren. Rüstet ab.» Den Vorwurf, die Linke sei «die fünfte Kolonne Moskaus» weist sie scharf zurück - unter Verweis auf die Beschlusslage der Partei, aber auch mit Blick auf persönliche Erfahrungen. Sie habe sich mit russischen Regimekritikern und Mitgliedern der Punkband Pussy Riot unterhalten. Was sie dabei gehört habe, sei ihr «natürlich nahe gegangen». Sie brauche «wirklich niemand zu belehren, dass Putin kein Linker ist», so Kipping. Die Linkenchefin kritisiert freilich auch die NATO, die EU und die Bundesregierung für ihr Vorgehen im Ukrainekonflikt. «Hört auf zu zündeln», ruft sie in den Saal. «Es geht um Menschenleben!» Delegierte halten blaue Schilder mit weiter Friedenstaube in die Höhe.
Der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm teilt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit, er verzichte auf seine Kandidatur für den Parteivorstand - zur Begründung gibt er an, die beiden Linken-Vorsitzenden hätten «fast alle meine Kulturaktivitäten behindert».
14.30 Uhr: Katja Kipping beginnt - mit ziemlich genau zwei Stunden Verspätung.
14.20 Uhr: Jetzt hat die Debatte über diverse Ukraine-Anträge begonnen. Jan van Aken bringt jenen des Parteivorstandes ein, der Bundestagsabgeordnete fordert zudem ein umfassendes Waffenembargo für die Ukraine. Eine Delegierte verlangt, die Formulierung «die Aufnahme der Krim in die russische Föderation ist ebenfalls völkerrechtswidrig» zu streichen - dies sei in der Linkspartei umstritten. Martin Hantke spricht sich für die Annahme des Antrags aus, dieser setze «ein starkes Zeichen» gegen die Eskalation und enthalte eine ganz klare Absage an Finanzhilfen gegen die Kiewer Übergangsregierung, solange dort Faschisten beteiligt seien. Der Antrag wurde bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
14.15 Uhr: Die Linksparte unterstützt die internationalen Blockupy-Aktionstage Ende Mai und im Herbst. Einem entsprechendem Antrag stimmten am Samstag ohne Gegenstimme bei wenigen Enthaltungen zu. Außerdem beschloss der Parteitag, die umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA abzulehnen.
14 Uhr: Lucy Redler hat den Parteitag aufgefordert, in den kommenden Wochen möglichst viele Friedensdemonstrationen auf die Beine zu stellen und die Kritik am Westen im Ukraine-Konflikt nicht den Rechten zu überlassen. Stefan Liebich kommt danach ans Pult und plädiert für eine Beachtung des Völkerrechts auf allen Seiten. Liebich zitiert Lafontaine - und dann den Dringlichkeitsantrag des Vorstandes, in dem die Aufnahme der Krim in die russische Föderation als völkerrechtswidrig kritisiert wird. Claudia Haydt gibt danach ihrem Erschrecken Ausdruck, wie schnell die «Rituale des Kalten Kriegs» wieder bedient würden - «und unsere Bundesregierung ist mitten dabei». Die Linke habe Recht mit ihrer Forderung behalten, die NATO aufzulösen. Auch von Haydt und Redler wird Kritik an der Medienberichterstattung über den Ukraine-Konflikt geäußert.
13.50 Uhr: Die Kollegen der dpa berichten, dass die Spitzenkandidatin der Linken für die Europapawahl, Gabi Zimmer, in den prognostizierten Wahlerfolgen der Rechten bei der Europawahl eine Gefahr sieht. «Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU, die individuelle und soziale Menschenrechte gewährleisten muss und nicht nur einen Teil», sagte sie der «Magdeburger Volksstimme». Sie halte es für sehr problematisch, wenn rechtsextreme und ausländerfeindliche Parteien im Europaparlament sitzen. Zimmer: «Ein fatales Signal wäre es, wenn auch die NPD einziehen würde. Deutsche Nazis im Europaparlament halte ich für unsäglich.»
13.45 Uhr: Jetzt geht es nochmal um den Zeitplan - der Parteitag hängt bereits ziemlich hinterher. Es stehen noch 30 Leute auf der Redeliste zur Aussprache über die Themen Europawahl, TTIP und Ukraine. Gestern ist die Debatte dazu verlängert worden, das Tagungspräsidium hat nun vorgeschlagen, doch wieder zu verkürzen, was auf Widerspruch stößt. Bis 14 Uhr? Bis 14.15 Uhr? Es geht um jede Minute - die Zeit wird durch die Debatte über den Zeitplan freilich auch nicht länger.
12.50 Uhr: Die nächsten Redner sprechen auch wieder den Ukraine-Konflikt an. Sevim Dagdelen spricht von einer «Diffamierungskampagne» gegenüber Kritikern des Westens und von einem «regelrechten Trommelfeuer für eine Eskalation gegen Russland». Ihrer Auffassung nach gebe es praktisch keine Kritik in den Medien am Vorgehen von EU, Bundesregierung oder NATO im Ukraine-Konflikt - von Ausnahmen abgesehen. Die Bundestagsabgeordnete, die sich kritisch über die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt äußert, fordert dann den sofortigen Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO. Die Linke müsse Nein sagen «zu der Kumpanei der Bundesregierung mit Faschisten» in der Kiewer Übergangsregierung.
12.45 Uhr: Ist das ein Problem der Parteitagsregie oder angesichts anderer Schwerpunkte unausweichlich? In der «Generaldebatte» redet einer über die Ukraine, die nächste über die Verfolgung von Roma, ein dritter über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP. Mal sehen, was als nächstes Thema kommt. Erst einmal der Satz: «Das Chlorhühnchen ist nur die Spitze des Eisbergs.»
12.35 Uhr: Wolfgang Gehrcke ist der erste, der den Ukraine-Konflikt anspricht - er spricht von Forderungen, die zentral seien, und da interessierten ihn auch «kleinkarierte Streitereien in den eigenen Reihen nicht»: Stopp der Militäroffensive der Kiewer Übergangsregierung, Verhandlungen unter Beteiligung der Aufständischen im Osten des Landes, auch müsse es beim Tabu bleiben, dass man sich mit Faschisten nicht verhandle. Gehrcke weiter: «Wir sind die einzigen, die einen Friedensplan vorgelegt haben, der auch greift.» Der Bundestagsabgeordnete fordert Blockfreiheit für die Ukraine und eine neue Entspannungspolitik.
12.30 Uhr: Schon wieder versammeln sich Leute auf der Parteitagsbühne hinter einem Transparent - diesmal gehts um die Blockupy-Aktionstage, die am Samstag mit einer Tanzdemo in Frankfurt am Main beginnen. Plötzlich wird der alte Demospruch angestimmt: «Hoch - die - internationale - Solidarität».
12.25 Uhr: Nun beginnt die Debatte über den Themenkomplex «Europawahl, Ukraine, TTIP». Der Parteitag liegt hinter dem Zeitplan. Den Aufschlag macht Christine Buchholz mit Kritik an der Krisenpolitik der EU und andere: «Die Troika tötet. Die Linke ist die einzige Partei, die das ausspricht.»
12.15 Uhr: Benjamin Hoff warnt in der Debatte über die Landtagswahlen vor der «Bequemlichkeit der Opposition» und plädiert für eine lebendige Bearbeitung der Widersprüche, die in Regierungsbeteiligungen für die Linke liegen. Zuvor hatte der Fraktionschef von Sachsen-Anhalt von der Chance gesprochen, zusammen mit der SPD «Politik zu gestalten» - man müsse diese nun auch nutzen. Der sächsische Finanzpolitiker Sebastian Scheel spricht über «Hanna, für die es vielleicht keine Revolution bedeutet aber einen Unterschied macht», wenn und ob die Linke regiert. Danach gehts gleich sächsisch weiter - mit Stefan Hartmann, der immerhin in Erfurt geboren wurde. Der pocht nochmal darauf: Der ADAV und die sächsische Volkspartei seien zunächst in Sachsen gegründet worden - und erst in Erfurt dann «fusioniert». Die Frage sei aber die einzige wichtige Differenz mit den Genossen in Thüringen.
12.05 Uhr. Das ist, nun ja: Parteitagssymbolik. Drei Männer halten eine Art riesige Dreifach-Hantel empor. Botschaft: die Linke in den drei Ostländern wird das schon stemmen. Parteichefin Kipiping wünscht dabei viel Erfolg. Und nun die Debatte zu dem Tagesordnungspunkt Landtagswahlen.
12 Uhr: Bodo Ramelow stellt erst einmal klar, wo die Wiege der Sozialdemokratie liegt - in Thüringen. Rico Gebhardt hatte sie in seiner Rede nach Sachsen verlegt. Dann gehts um Politik in Thüringen. Und Ramelow redet schon wie ein Ministerpräsident - die Klingel vom Tagungspräsidium wird einfach ignoriert. «Die Klingel hör ich wohl ...»
11.50 Uhr: Christian Görke, Finanzminister in Brandenburg, formuliert schon einmal ein paar Schlagzeilen für den 15. September: «Nach Sachsen jetzt auch in Thüringen und Brandenburg linke Mehrheiten möglich.» Nun, werden wir erstmal sehen. Görke fordert «die gesamte Partei, nicht nur in Ostdeutschland» zu Unterstützung auf. Der Spitzenkandidat schildert den Delegierten dann, warum seine Partei in Brandenburg trotz Regierungsbeteiligung nicht verloren habe - zuletzt lag die Linke in einer Umfrage bei 25 Prozent, bei den Landtagswahlen 2009 waren es gut 27 Prozent. Görke muss dann noch einmal ans Pult - es gibt eine Nachfrage zur Braunkohle-Politik der Partei in der rot-roten Koalition in Potsdam. Gegen die protestieren seit gestern vor dem Parteitag Umweltaktivisten und Tagebaugegner.
11.40 Uhr: Nun also die Landtagswahlen. Der sächsische Spitzenkandidat Rico Gebhardt verspricht den Wahlkämpfern in Brandenburg und Thüringen, die zwei Wochen danach an der Reihe sind, mit einem guten Ergebnis vorzulegen. Zurzeit liegen die Linken in Sachsen in Umfragen zwischen 17 und 22 Prozent - die SPD kommt lediglich auf 15 oder 16 Prozent. Für rot-rot-grüne Mehrheiten wird es im Freistaat aber wohl nicht reichen, anders als in Thüringen, wo Bodo Ramelow sich Chancen ausrechnet, erster Ministerpräsident der Linken zu werden.
11.30 Uhr: Jetzt lief gerade ein Großwort der Initiative 100% Tempelhofer Feld
11.10 Uhr: Kleiner Schlagabtausch Hamburg versus Axel Troost. Es geht um die Schuldenbremse.
10.50 Uhr: Jetzt steht das Thema Kommunalwahlen auf der Tagesordnung. Dagmar Zoschke macht den Aufschlag. Matthias Höhn muss «die Jungs da vorne» um Ruhe bitten - und hofft, dass der Geräuschpegel nichts über das Ansehen der Kommunalpolitik unter den Delegierten sagt.
10.40 Uhr: IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban ist nun am Pult, er sagt, es sei nicht so einfach «nach einer beeindruckenden Rede ein nüchternes Grußwort» zu halten. Seine Rede wird dann aber ganz und gar nicht nüchtern. Der Mann aus dem IG-Metall-Vorstand spricht über die Nähe zwischen Linken und Gewerkschaften, über die gemeinsame Herausforderung im Widerstand gegen das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP. Urban plädiert für gemeinsame politische Projekte, unterstreicht die Wichtigkeit der Europawahl. Er wolle nicht verschweigen, dass er «besondere Sympathie» für die Europakandidaten der Linken habe, die aus seiner Gewerkschaft kommen. Zum Beispiel, den Namen nennt Urban freilich nicht, Thomas Händel. Denn, auch das sagt Urban, es gebe trotz allem gute Gründe für die parteipolitische Unabhängigkeit der Gewerkschaften.
10.30 Uhr: Zum Schluss seiner Rede sagt Riexinger noch, man habe «häufig das Gefühl, wenn man sagt: ich bin ein Linker, muss man gleich sagen was man nicht ist. Nicht für Stacheldraht, Diktatur, China oder sonst was. Sind wir nicht. Punkt.» Stattdessen sollten Linke selbstbewusster sagen, wofür sie eintreten. «Wenn wir uns die Welt anschauen, sollten dann nicht eher diejenigen, die nicht links sind, begründen, warum eigentlich nicht? Riexinger bekommt einen Beifall, der gegenüber dem Applaus etwa bei der Rede der Europa-Spitzenkandidatin Gabi Zimmer geradezu euphorisch genannt werden kann. Es gibt sogar Standing Ovations.
10.25 Uhr: Riexinger warnt davor, friedenspolitische Grundsätze der Partei aufzuweichen - »auch nicht als Türöffner für eine Regierungsbeteiligung«. Das wird der eine oder andere Delegierte auf dem Parteitag als Kritik verstehen, jedenfalls ist es als Kritik auch aus der innerparteilichen Debatte bekannt. Im Zusammenhang etwa mit der Abstimmung über die Absicherung der Chemiewaffenvernichtung durch die Bundeswehr, der einige Linken-Abgeordnete im Bundestag zugestimmt hatten. Riexinger sagt: »Mit uns sind keine Auslandseinsätze der Bundeswehr zu machen.« Katja Kipping hatte in einem Interview dieser Tage als rote Linie »Kampfeinsätze der Bundeswehr« bezeichnet. Ein kleiner, aber in der Linkspartei durchaus wichtiger Unterschied.
10.20 Uhr: Hui, es gibt eine Initiative: #Parteitagsselfie
10.15 Uhr: Riexinger macht praktisch einen Schnelldurchlauf durch das Programm der Linken - verbunden mit Kritik an der ungerechten Vermögensverteilung, an der Lage auf dem Wohnungsmarkt, an prekären Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, am Glauben an einen grünen Kapitalismus, an der politischen Förderung des Reichtums. Die Linke kämpfe für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, dies sei die zentrale Frage für einen Politikwechsel. Und natürlich gibt es auch Kritik an der SPD: »Sigmar Gabriel schwingt ständig große Tone und kann vor Selbstbewusstsein kaum laufen. Wenn es aber darum geht, sich mit den Reichen, Vermögenden und Großkapitalisten anzulegen, hat er das Herz eines Hasen.« Riexinger spricht über die Forderung nach milliardenschweren Investitionen, über die Forderung nach einer besseren Ausstattung der Daseinsvorsorge in den Kommunen. Der Linkenchef spricht auch die zurückgehende Wahlbeteiligung von Menschen mit geringen Einkommen an und ruft seine Partei auf, sich »mit aller Kraft der Resignation entgegenzustemmen«. Nur von den Linken »haben sie etwas zu erwarten«.
9.55 Uhr: Riexinger bekommt ordentlichen Beifall, seine Rede auf dem Linken-Parteitag kommt einem aber auch ein bisschen bekannt vor: Kritik an Hartz IV, Kritik der Leiharbeit, der Prekarisierung, der Kapitalismus sei nicht mehr in der Lage, seine Wohlfahrtsversprechen einzulösen, einige Wenige häufen Gewinne und Vermögen an. Dann zitiert er einen Schlachtereikonzernbesitzer aus einem Krimi: »im Herzland des Katholizismus haben wir es geschafft, ein Lohnniveau zu schaffen wie in den Karpaten«. Riexinger fühlt sich an die Zustände in Chicagos Schlachthöfen Anfang des 20. Jahrhunderts erinnert. Werkverträge, Niedriglohn, rechtlose Arbeitsverhältnisse - dies werde die Linke »niemals akzeptieren«. Und dann noch: »Wir werden keine Ruhe geben.«
9.45 Uhr: Bernd Riexinger beginnt seine Rede gleich einmal mit einem Aufruf an die Partei, »stolz zu sein, was wir gemeinsam alles erreicht haben«. Der Linkenchef blickt zurück auf die Zeit nach dem Göttinger Parteitag, als viele frustriert gewesen sein. Inzwischen sei man aber stärkste Oppositionskraft - und dann gestattet er sich einen kleinen Seitenhieb auf eine andere Parteineugründung, die inzwischen auf einer »Pirateninsel« verkümmern würde. Riexinger spricht über die Themen, welche die Linke auf die Tagesordnung gesetzt habe. Man kennt das schon: Links wirkt, siehe Mindestlohn. Gesellschaftliche Veränderungen seien »nur im Bündnis mit den Menschen zu machen«. Riexinger zählt auf: gegen die Agenda 201, gegen die Krisenpolitik, gegen den Ausverkauf der Daseinsvorsorge. »Allein in den Parlament lässt sich die Gesellschaft nicht zum Besseren bewegen.«
9.40 Uhr: Manuela Schon gibt den Bericht des Frauenplenums, und fragt sich, ob die Zeit für dieses Treffen angesichts der zur Debatte stehenden Themen überhaupt ausreicht. Im Bericht heißt es dann unter anderem: Viele Gliederungen würden sich nicht an die Mindestquotierung halten, auch Gregor Gysis Solo-Vorsitz in der Bundestagsfraktion stößt hier noch einmal auf Kritik. Auch anderswo hapert es noch. Kurzum: Gleichstellungspolitisch ist die Linke nach Ansicht des Frauenplenums noch nicht dort, wo man sie gern sehen würde. Die Linke solle außerdem stärker die Care-Revolution-Bewegung unterstützen.
9.35 Uhr: Jetzt mal etwas wirklich Wichtiges - die Linkspartei hat zur Bundestagswahl 256.068 Pfeffi-Riegel eingesetzt. Pfeffi-Riegel! Dazu noch 261.976 Fruchtgummiherzen. Fruchtgummiherzen! Und das war noch längst nicht alles. Es wurden auch 1.415 Kilogramm Bonbons eingesetzt. Fast anderthalb Tonnen! Und weil wir schon bei der Statistik der kleinen Dinge sind: Das Wahlergebnis der Linken bei der Bundestagswahl ist auch 114.461 Kondomen zu verdanken, die zur Werbung für die Partei verteilt wurden. Noch mehr Zahlen gibt es im Bericht des Bundeswahlleiters zum Wahlkampf 2013.
9.20 Uhr: Diverse Berichte also. Das ist für die Partei wahrscheinlich ziemlich wichtig, aber es ist nicht in jedem Fall besonders spannend. Zum ersten Mal gibt der Ältestenrat einen Bericht an den Parteitag - Hans Modrow trägt diesen vor. Er verweist auf die Geschichte des Gremiums, auf die Rolle von Erfahrungen der Generationen, auf die bisweilen auftretenden Schwierigkeiten beim Miteinander unterschiedlicher Altersgruppen in der Partei. Modrow spricht auch die noch bevorstehende Vorstandswahl an - es gehe um mehr als eine Personalentscheidung. Er spricht von »Ruhe und Zustimmung«, die seit dem Göttinger Parteitag nicht zuletzt vom neuen Vorsitzenden-Duo erreicht wurde - und »die unserer Partei gut taten«. Modrow kritisiert, dass sich der Parteivorstand mit »klaren Aussagen« zum Ukraine-Konflikt zurückhalte. Auch rot-rot-grüne Hinterzimmergespräche finden nicht das Lob des Vorsitzenden des Ältestenrates - er warnt, die Linke dürfe nicht ihre Alleinstellungsmerkmale aufgeben. Es muss zum Teil auch über die Tätigkeitsberichte abgestimmt werden. Soweit das bisher erkennbar war, gab es keine oder nur wenige Gegenstimmen.
9.15 Uhr: Jetzt kommen sechs Berichte: über die Tätigkeit des bisherigen Vorstandes, der Bundesfinanrevisionkommission, des Bundesausschusses, den Gleichstellungsbericht, des Ältestenrates, des Frauenplenums. Der Bericht des Vorsitzenden der Linksfraktion steht am Sonntagmorgen auf dem Programm. Der Tagesordnungspunkt »Berichte« scheint nicht allzu große Anteilnahme auszulösen.
9.10 Uhr: Die Beratungen beginnen mit einer filmischen Erinnerung an den Sportler und Antifaschisten Werner Seelenbinder, nach dem die Halle benannt war, die einst an Stelle des Velodroms stand.
9.05 Uhr: Den Delegierten sind noch zwei Dringlichkeitsanträge vorgelegt worden: gegen eine weitere Verschärfung des Asylrechts - wie sie derzeit vom Bundesinnenministerium geplant ist - und zur Stärkung des Profils der Linken »als Antikriegspartei«.
8.55 Uhr: Es geht bald weiter. Laut Zeitplan in fünf Minuten. Dafür ist es aber noch eher leer im Parteitags-Bunker. Vor dem Parteitag - besser: auf den halbunterirdischen Rampen wird weiter gegen Braunkohle demonstriert.
7.55 Uhr: Mal eben geschaut, was die Kolleginnen und Kollegen so geschrieben haben. Die Deutsche Welle berichtet ausführlich und nimmt vor allem die Proteste der Braunkohle-Gegner vor dem Parteitag in den Blick. Die »Rheinische Post« schreibt mit dpa-Material, die Linke gebe (!) sich in Berlin als »Friedenspartei« - in Anführungszeichen - und habe »ihren Kurs in der Ukraine-Frage abgesteckt«. Die Debatte dazu ist erst am Samstag, gemeint ist wohl die Rede der Europa-Spitzenkandidatin Gabi Zimmer, die sich auch zu der Krise äußerte. Die »Neue Westfälische« hat den Parteitag bereits kommentiert: Man müsse »kein Prophet sein, um der Linkspartei an diesem Wochenende einen ruhigen Parteitag vorherzusagen«, heißt es da. Und dann: »Eine Partei wie die Linke, die etwa Putin alles durchgehen lässt und die Schuld immer bei der EU, den USA und der NATO sucht, will sich von ihren lieb gewordenen Scheuklappen nicht trennen. Und woher in der Wirtschaftspolitik das ganze Geld kommen soll, das die Linke hierzulande zum Beispiel an Rentner und Arbeitslose verteilen will, ist nicht einmal im Ansatz klar.«
7.30 Uhr: Was heute auf dem Programm des Linkenparteitags steht? Zunächst die üblichen Berichte an den Parteitag, also Bilanzen. Danach spricht Bernd Riexinger (9.30) und es folgt dem eine Debatte über die anstehenden Wahlen in den Kommunen, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg (ab 10) - sowie der am Freitag verlängerte Tagesordnungspunkt zu den aktuellen Großthemen Ukriane, Europa und zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP. Wenn alles nach Plan verläuft, sollen nach eienr Rede von Katja Kipping (12.30) und einer Mittagspause dann um etwa 13.45 Uhr die Wahlen zum Vorstand losgehen. Das wird eine Weile dauern - nämlich bis in den Sonntag hinein. Dazwischen sorgen der EU-Spitzenkandidat Alexis Tsipras um 19 Uhr und eine Parteitagsparty für revolutionäre Abwechslung.
7.15 Uhr: Noch ein paar kleine Nachträge aus der Freitagsdebatte. Der Linken-Parteitag hat sich noch einmal deutlich gegen den Drohnenkrieg und weitere Verschärfungen des Asylrechts ausgesprochen. Außerdem macht sich die Linke nun nach einem entsprechenden Beschluss für eine Mindestausbildungsvergütung von 750 Euro stark. Der umfangreiche Antrag zu einer grundlegenden Wahlrechtsreform ist an den Parteivorstand überwiesen worden. Zudem erklärten die Delegierten mehrheitlich ihre Solidarität mit Venezuela. In der Satzung wird es künftig keine Unterscheidung mehr in »alte« und »neue« Bundesländer geben.
7 Uhr: Kleiner statistischer Twitterblick zurück - der Bundesparteitag der Linken in Berlin war am Freitag das »politische Top-Thema« auf dem Kurznachrichtendienst. Jedenfalls wenn es nach einem Forschungsprojekt am Institut für Informationssysteme (iisys) der Hochschule Hof in Zusammenarbeit mit dem »Big Data Analytics Research Lab« der Goethe-Universität Frankfurt geht. Analysiert werden dort Twittertrends - eine Wahlprognose, daraufhin wird eigens hingewiesen, ist damit nicht verbunden.
tos/uka mit Agenturen
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