Motive des Protestes

Gegen die Krisenpolitik der EU-Institutionen: Stimmen aus Frankreich, Italien, Belgien und Spanien

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Macht des »Wir«

Louise Moulin, 37. Ich bin alleinerziehende Mutter und arbeite als unabhängige Grafikdesignerin in Paris. Vor etwa einem Jahr war ich wie viele andere Menschen auch wütend darüber, wie es mit der Welt immer weiter bergab geht. Ich hatte Angst um die Zukunft meiner Kinder und wusste nicht, was ich dagegen tun sollte. Die Angst hat sich dann in Aktivismus gewandelt: »You and me - that’s the power of we«, sagten wir uns. Wir, das ist eine Gruppe von rund 30 Pariser Bürgern, die das Kollektiv »Les Engraineurs« (Säer) gründete. Ich bin sozusagen dessen Motor. Wir haben zunächst einen der weltweiten »Märsche gegen Monsanto« und dessen Saatgutpolitik am 24. Mai vergangenen Jahres organisiert. Seitdem beschäftigen wir uns auch mit vielen anderen Fragen rund um Umwelt und Menschenrechte, organisieren kreative Aktionen und bereiten Informationsmaterial vor allem für soziale Netzwerke auf.

An Blockupy beteilige ich mich mit dem Kollektiv, weil ich helfen will, ein anderes Europa zu erschaffen: solidarisch und wirklich demokratisch, eines, das Gleichheit unter den Menschen schafft und in dem Wohlstand fair verteilt wird.

Europa ohne Grenzen

Detjon Begaj, 23. Ich wurde in Albanien geboren, bin aber schon als Baby nach Italien gekommen. Politisch aktiv war ich zunächst in Jesi, einer Stadt im Landesinnern, in der Studentenbewegung. Wir besetzten Häuser, um sie als soziale Stadtteilzentren zu nutzen. Derzeit studiere ich Jura in Bologna. Hier beteilige ich mich an der Besetzung von Làbas, einer ehemaligen Militärbaracke. Ich bin außerdem Redaktionsmitglied des unabhängigen Internetportals »Progetto Melting Pot Europa« zur Stärkung der Bürgerrechte.

Im Rahmen des von Blockupy ausgerufenen »May of solidarity« (Mai der Solidarität) stellen wir unseren Kampf gegen die Internierungslager für Migranten in den Mittelpunkt. Den verknüpfen wir mit sozialen Problemfeldern, wie geringes Einkommen, Menschenrechte und Demokratie in Europa, und der Austeritätspolitik. Wir wollen damit die Prinzipien, die in der Charter of Lampedusa festgeschrieben sind, besser bekannt machen. Die europäische Aktionswoche ist ein Schritt hin zu einem Europa ohne Grenzen, in dem alle Menschen den gleichen Zugang zu Rechten haben, ob sie jung oder alt sind, Flüchtlinge oder prekär Beschäftigte.

Kapitalismus abschaffen

Erik Demeester, 52. Ich bin Vater einer Tochter, aktiv im sozialistischen Gewerkschaftsbund FGTB/ABVV in Belgien und Redakteur der marxistischen Zeitung Révolution/Vonk. Vor drei Jahren habe ich gemeinsam mit anderen roten und grünen Gewerkschaftsaktivisten ein Aktionskomitee gegen Austerität in Europa ins Leben gerufen. Unser Ziel ist es, die sozialen Kämpfe von Arbeitern, Studenten und anderen Aktivisten gegen die EU-Austeritätspolitik zusammenzuführen.

Letztes Jahr habe ich an der Blockade des »Banquet of the rich« (Bankett der Reichen) beim European Business Summit in Brüssel teilgenommen. Der konsequente nächste Schritt ist die Blockade des gesamten Gipfels, den wir zum Start der Blockupy-Aktionstage planen. Mir geht es nicht um eine Anti-EU-Lobby oder die Reform der kapitalistischen Maschine. Ich sehe mein Engagement eher als ein Mittel, Bewusstsein zu schaffen, auch für die Notwendigkeit, unseren Kampf zu internationalisieren und schließlich den Kapitalismus als ein System abzuschaffen, das Ungleichheit, Kriege und Ausbeutung generiert und letztlich nur dazu geschaffen wurde, die Privilegien der Reichen zu schützen.

Vereinte Migranten

Daniel Bogas, 33. Ich habe in Spanien Philologie studiert, kann dort aber zurzeit keine Arbeit finden. Deshalb bin ich nach Berlin gekommen. Hier bin ich über Freunde, die in der 15-M-Bewegung in Berlin aktiv sind, auf Blockupy gestoßen. Das hat mich überzeugt: Die Europäische Zentralbank und andere EU-Institutionen sollten eine andere Funktion haben, als nur den Status quo zu schützen und somit die Elite zu stützen sowie die reichen Länder in der Europäischen Union zu verteidigen. Wir müssen unsere Regierungen dazu bringen, ein anderes Europa zu bauen. Eines, das nicht dem freien Handel den Vorzug gibt, sondern die Freizügigkeit der Menschen in den Fokus nimmt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir Migranten uns im Ausland zusammenschließen müssen, um gegen die Ungerechtigkeiten in der Union zu protestieren. Auch in Spanien bin ich bereits politisch aktiv gewesen. Und ich bin der Ansicht, dass man mit lokalem Widerstand am meisten erreicht - egal, wo man lebt. Häufig allerdings findet man nicht den Raum, um diesen Protest zu artikulieren. Blockupy kann eine neue Chance sein, das doch zu tun.

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