Brasilien: Wieder Protestwelle gegen die WM

Kundgebungen in rund 50 Städten / In Rio schließen sich streikende Lehrer, Universitätsangestellte und Busfahrer an / Straßenblockaden und Festnahmen

  • Lesedauer: 3 Min.

Rio de Janeiro. In Brasilien haben am Donnerstag (Ortszeit) wieder Tausende Menschen gegen die hohen staatlichen Ausgaben für die Fußball-Weltmeisterschaft demonstriert. An dem sogenannten »Internationalen Tag des Kampfes gegen die WM« nahmen zahlreiche soziale Organisationen teil. Obdachlosenverbände forderten bezahlbare Wohnungen und streikende Lehrer mahnten in Rio und São Paulo bessere Arbeitsbedingungen an. Viele Demonstranten trugen Plakate, auf denen in Anspielung auf die neuen und modernen WM-Stadien die Forderung stand: »Schulen und Hospitäler nach FIFA-Standard«.

Etwa 2.000 Menschen blockierten im Osten von São Paulo zeitweise die Zufahrt zum Stadion Arena Corinthians, wo die WM am 12. Juni eröffnet wird. In dem Viertel besetzten obdachlose Familien schon Anfang des Monats unter dem Motto »Copa do Povo« (WM des Volkes) ein Fläche, die etwa vier Kilometer vom neuen Stadion entfernt liegt. »Wir wollen den Widerspruch aufzeigen, der darin liegt, dass Milliarden für dieses Ereignis (WM) ausgegeben werden, während das Volk selbst Wohnungen braucht«, sagte Maria das Dores Cerqueira, eine der Organisatorinnen. Es kam zu Straßenblockaden und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mindestens 40 Menschen wurden dabei festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Maskierte Demonstranten warfen Gegenstände auf die Polizisten und zündeten Müll auf der Straße an.

Protestaktionen wurden auch aus den WM-Spielorten Belo Horizonte, Fortaleza und Brasília gemeldet. Insgesamt gab es Kundgebungen in rund 50 Städten. Statt Milliarden für Fußball solle der Staat mehr Geld für öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und Nahverkehr ausgeben, forderten die Demonstranten vier Wochen vor Beginn der WM. In Recife kam es zeitgleich zu einer Demonstration zu Plünderungen. Aufgrund eines Streiks der lokalen Polizei waren Nationalpolizei und die Armee im Einsatz. In Recife wird die deutsche Nationalmannschaft ein Vorrundenspiel absolvieren. In Rio de Janeiro schlossen sich streikende Lehrer, Universitätsangestellte und Busfahrer der Demonstration an. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Bis auf einige Rangeleien blieb der Protest in der Stadt am Zuckerhut aber friedlich. Auch in Belo Horizonte, Porto Alegre und der Hauptstadt Brasilia kam es zu größeren Demonstrationen.

Zu den Protesten hatten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen. Sie kritisieren vor allem die Vertreibung armer Menschen aus ihren Wohnvierteln, um den Bau von Stadien und Straßen zu ermöglichen. Ziel der Demonstranten waren zumeist die neu erbauten WM-Stadien. Brasilien rechnet mit rund 600.000 ausländischen Besucher bei der WM, die vom 12. Juni bis 13. Juli dauern wird. Aufgrund der erwarteten Proteste und einer Streikwelle ist die Sicherheitslage angespannt. Laut Regierung steht das Militär bereit, um notfalls die lokale Polizei zu unterstützen.

Aus Sicht der Regierung richteten sich die Proteste nicht gegen die Fußball-WM. Die Demonstranten nutzten lediglich die Gelegenheit, »um Forderungen zu präsentieren, die legitim sind, aber wenig mit der WM zu tun haben«, sagte Präsidialamtsminister Gilberto Carvalho. Die Proteste schreckten die Regierung nicht. »Was uns besorgt ist, wenn antidemokratische Methoden, wenn Gewalt angewendet wird, sei es aufseiten der Polizei oder aufseiten der Demonstranten«, sagte Carvalho.

Nach Regierungsangaben werden für die Weltmeisterschaft insgesamt 26,5 Milliarden Reas (8,7 Mrd. Euro) investiert. Davon stammen rund 84 Prozent aus öffentlichen Mitteln. Über ein Drittel des Geldes floss in Projekte für den öffentlichen Nahverkehr, rund 28 Prozent wurden für die WM-Stadien ausgegeben und 26,5 Prozent für Flughäfen. Agenturen/nd

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