Ein Armutszeugnis für die Gastrobranche
NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger über Burger King und den Mindestlohn im Hotel- und Gastgewerbe
nd: Die Deutschlandzentrale von Burger King hat gefordert, dass ihre Franchisenehmer künftig Tariflöhne bekommen sollen. Haben die sich schon bei der NGG gemeldet.
Hosenberger: Es gab ein erstes Gespräch am Mittwoch darüber, in dem angekündigt wurde, was alles getan werden müsste.
Schenken Sie der Ankündigung Glauben?
Erst einmal ja. Wir sind optimistisch, weil da zwingend und dringend etwas passieren muss, wenn Burger King endlich von dem Schmuddelimage wegkommen will. Aber auf die Worte müssen jetzt schnell Taten folgen. Wenn es in der nächsten Woche nicht konkreter wird, ist die Schonfrist vorbei. Auch die noch laufenden Verfahren gegen Betriebsräte und Beschäftigte müssen eingestellt werden.
Gibt es derlei Ärger auch an anderen Stellen mit Burger King oder nur mit dem Franchisenehmer Yiko-Holding, der seit einem Jahr wegen der Arbeitsbedingungen, Betriebsratskündigungen und jüngst wegen der katastrophalen Hygienezustände in einigen Restaurants in den Schlagzeilen ist?
Nein, es ist die Yiko-Holding. In vielen Fällen haben unserer Kenntnis nach Franchisenehmer von Burger King Schilder in ihre Filialen gehängt, dass sie mit Yiko nichts zu tun haben. Die wollen nicht in diese Sache mit hineingezogen werden. Die VerbraucherIn kann ja nicht unterscheiden, ob das ein Yiko-Laden ist oder einer, in dem vernünftig gezahlt wird.
Was wären Lösungsmöglichkeiten?
Es müssen einige Themen abgearbeitet werden. Die Kündigungen, die Tarifflucht, die Arbeitsbedingungen und die Hygiene. Am Donnerstag hat Burger King angekündigt, dass der TÜV die Filialen kontrollieren will. Vielleicht wäre es aber auch besser, dass die sich wirklich mal mit uns hinsetzen. Das hatten wir uns schneller erhofft und erwarten es regelmäßig.
Eigene Filialen hat Burger King Deutschland nicht mehr?
Nein. Die Zentrale macht im Prinzip nur noch das Marketing. Das Problematische ist auch: Die kennen die Auseinandersetzung seit einem Jahr, und haben immer gesagt, Personalpolitik liegt in der Zuständigkeit der Franchisenehmer. Jetzt nachdem Wallraff die katastrophalen Zustände enthüllt hat, geht es auf einmal ganz schnell. Da kam auch Druck aus den eigenen Reihen.
Ist die Forderung, dass Burger King seine Filialen von den Franchisenehmern wieder übernehmen soll, naiv?
Möglicherweise ist das naiv, wenn man sich das Unternehmen anguckt. Aber trotzdem ist es eine richtige Forderung. Wenigstens sollte in den Franchiseverträgen stehen, dass die Einhaltung des Tarifvertrages eine Bedingung ist und die Tarifbindung überhaupt. Das gibt es auch.
Gab es mit Burger King früher schon Probleme?
Mit denen war es nie ganz leicht. Je mehr man Franchisenehmer nutzt, desto weniger Einflussmöglichkeiten gibt es. Die sind im Bundesverband der Systemgastronomie (BdS), sagen aber nicht: Wer bei uns Franchisenehmer werden wollt, müsst ihr die gültigen Tarifverträge einhalten.
Der BdS lässt keine OT-Mitgliedschaften, also Mitgliedschaften ohne Tarifbindung, zu.
Das ist eigentlich gut. An anderer Stelle arbeiten wir auch sehr gut mit dem Arbeitgeberverband BdS zusammen. Das ist beim Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA anders. Da ist der größte Teil der Betriebe nicht mehr im Tarif. Der DEHOGA bietet die OT-Mitgliedschaft an, und das wird auch stark genutzt. Ein Drittel aller Betriebe sind nur noch tarifgebunden.
Die Tariflandschaft ist immer zerklüfteter, die Zahl der »Häuserkämpfe« gegenüber dem Streit für einen Flächentarifvertrag steigt. Ist das Hotel- und Gaststättengewerbe ein besonders gutes Beispiel für diese Entwicklung?
Man kann nur mit organisierten Häusern auch Häuserkämpfe führen. Deswegen ist es uns so wichtig, dass die Betriebe unter dem DEHOGA-Dach Platz finden – so bitter wir auf der anderen Seite die Mitgliedschaften ohne Tarifbindung finden. Wenn wir als Arbeitgeber ein großes Hotel haben, in dem wir gut organisiert sind und der keinen Tarifvertrag hat, dann haben wir sofort einen Kampf um die Tarifbindung, also einen Häuserkampf. Das sehe ich aber derzeit nicht. Dort, wo wir gut aufgestellt sind, besonders in der Kettenhotellerie, mit starken Betriebsräten, da wissen die Arbeitgeber auch, dass sie gar nicht versuchen zu brauchen, von den Tarifverträgen abzurücken. In den kleineren Häusern ist das schwerer, aber wenn die Allgemeinverbindlichkeit erleichtert wird, wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, hätte das aufs Gastgewerbe eine große Auswirkung. Wir haben ja in allen Bundesländern Tarifverträge.
Stichwort DEHOGA: Der Arbeitgeberverband lehnt den gesetzlichen Mindestlohn ab, fordert Ausnahmen. Ihr NGG-Vorstandskollege Burkhard Siebert hat am Donnerstag zum DEHOGA-Jahresbericht gesagt, der Verband stelle sich selbst ein »Armutszeugnis« aus. Warum?
Diese Branche mit nur einem Drittel der Betriebe in Tarifbindung, mit oft sehr schlechten Arbeitsbedingungen, schreit gleichzeitig nach fehlenden Fachkräften. Es geht ja nicht bloß um Entgelttarifverträge, sondern auch um die Arbeitsbedingungen, die im Manteltarifvertrag geregelt sind. Und wenn die Saison losgeht, werden sie wieder jammern, dass die Fachkräfte fehlen. Das ist das eine. Das andere ist: Wir haben es hier auf dem DGB-Kongress mit vielen Beschäftigten zu tun, die die Diskussion um 8,50 Euro Mindestlohn gar nicht nachvollziehen können, weil sie weit mehr verdienen. Und 8,50 Euro sind immer noch ein Niedriglohn. Dass sich dann eine Branche hinstellt und sagt: »Bei uns aber nicht«, das ist in der Tat ein absolutes Armutszeugnis. Das ist unglaublich. Fast jeder unserer Tarifverträge bundesweit liegt über 8,50 Euro. Die Arbeitgeber geben immer wieder zu, dass sie weit sie unter Tarif zahlen. Die Forderungen nach Ausnahmen beim Mindestlohn, dass die Jugendlichen erst ab 23 Jahren Mindestlohn bekommen sollen, richten sich nur gegen die Arbeitgeber selbst, weil immer mehr junge Leute die Branche meiden werden.
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