Einkaufstüten sind keine Quallen
Meeresmuseum in Stralsund startet Themenjahr zur Meeresverschmutzung mit Plastikmüll
Die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll ist nach Einschätzung von Experten eine zunehmende Gefahr für Tiere wie auch den Menschen. »Meeressäuger verschlucken den Plastikmüll, Seevögel oder auch Wale verheddern sich in den Netzen, Kunststoff-Mikropartikel gelangen über Speisefische auf den Teller des Verbrauchers«, sagte die Meeresbiologin Dorit Liebers-Helbig am Montag in Stralsund. Das Deutsche Meeresmuseum und das Ozeaneum starten am Dienstag ein Themenjahr zum Plastikmüll mit Vorträgen und Sonderausstellungen.
Laut Umweltbundesamt treiben weltweit durchschnittlich 13 000 Plastikmüllpartikel auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche. Von 136 Meereslebewesen-Arten sei bekannt, dass sie sich regelmäßig in Müllteilen verheddern und strangulieren. Nach Behördenangaben fressen 43 Prozent aller Wale und Delfine sowie 36 Prozent der Seevögel unabsichtlich Müll und können sich an diesem verschlucken. Besonders gefährdet sind laut Liebers-Helbig Meeresschildkröten, die sich zu 90 Prozent von Quallen ernährten und im Meer treibende Gemüsetüten mit ihrer Hauptnahrung verwechselten. »Das Fatale ist, dass die Schildkröten mit dem Plastikmüll im Magen verhungern können«, so die Meeresbiologin und Kuratorin des Themenjahres.
Für die Ausstellungen haben Meeresmuseum und Ozeaneum Material aus verschiedenen Forschungsprojekten zusammengetragen, etwa Untersuchungen im niedersächsischen Wattenmeer. Dort hatte die Universität Oldenburg in allen untersuchten Kotproben von Kegelrobben und Seehunden Kunststoff-Mikropartikel entdeckt. In der Ostsee gelten trotz vergleichsweise hoher Umweltstandards verlorene Fischereinetze als Gefahr. Eine Ausstellung des WWF wird sich ab Juni mit dieser Problematik befassen. WWF-Kollegen aus Polen hatten vor zwei Jahren in 20 Tagen rund sechs Tonnen Plastiknetze eingesammelt, wie der Leiter des WWF-Ostseebüros Jochen Lamp sagte. Schätzungen zufolge gelangten jährlich bis zu 10 000 Netzteile in die Ostsee, bis zu 100 000 Mikroplastikteilchen trieben schätzungsweise in der Ostsee in einem Kubikmeter Wasser.
Im Meeresmuseum wird am Dienstag ein Rundgang zum Thema Plastikmüll eröffnet. Bereits seit einer Woche »schwimmen« dort 200 Plastikenten auf dem Riesenglobus im Museumsfoyer. Sie erinnern an ein Unglück vor 22 Jahren, als ein Frachtschiff im Nordpazifik einen Container mit Plastikspielzeug verlor. Seitdem treiben rund 30 000 Plastikenten über die Weltmeere, von denen einige später an Stränden von Indonesien, Australien, Südamerika oder im Packeis des Nordpolarmeeres entdeckt wurden. Die Kulturkirche St. Jakobi zeigt die Wanderausstellung des Museums für Gestaltung Zürich mit dem Titel »Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt«. Das Ozeaneum stellt zudem sein Sommer-Ferienprogramm unter das Hauptthema Vermüllung der Meere.
»Plastik ist grundsätzlich biologisch nicht abbaubar«, sagte Liebers-Helbig. Bei der Zerkleinerung würden aber giftige und hormonell wirksame Zusatzstoffe wie Weichmacher freigesetzt, die über Speisefische in die Nahrungskette des Menschen gelangen könnten. Schon jetzt gebe es Strände, an denen 30 bis 35 Prozent des Sandes aus kleinsten Plastikmüllpartikeln bestünden. Betroffen seien vor allem Inseln, sagte Liebers-Helbig. Als besondere Gefahr gelten auch Haushaltsabwässer, über die Körnchen aus Duschpeelings oder Mikrofasern aus Fleecekleidung über Flüsse in die Meere gelangten. Kläranlagen erfüllten nicht die Standards, die Partikelchen aus dem Abwasser zu filtern, kritisierte Lamp. dpa/nd
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