Der «Gläserne Bankkunde»?

Fragen & Antworten zu Kontenabfragen

  • Lesedauer: 3 Min.
Seine Kontodaten gibt niemand gerne preis, schon gar nicht dem Staat. Der kann zugreifen - aber nicht beliebig.

Im Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche werden jahrelang bereits Konten abgefragt. Seit April 2005 können Behörden auch leichter gegen Steuerbetrug und Leistungsmissbrauch vorgehen. Kritiker sehen den «Gläsernen Steuerzahler» und Deutschland mit einem «ausgehöhltem Bankgeheimnis» auf dem Weg in den Überwachungsstaat«. Befürworter sprechen von übertriebener »Panikmache«.

Warum wurde das Kontenabrufverfahren überhaupt eingeführt?

Ein Grund war auch, dass im März 2005 eine Amnestie für Steuerbetrüger, die Schwarzgeld im Ausland geparkt hatten, ausgelaufen ist. Das Lockangebot der damaligen rot-grünen Koalition führte aber nicht zu dem erhofften Geldsegen für den Staat. Die Amnestie wurde dann durch verschärfte Vorgaben für Kontenabfragen abgelöst - und später auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt. Mit dem »Kontenabrufverfahren« sollen die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllt werden, Steuerbetrüger aufzuspüren. Eingedämmt werden sollen auch Leistungsmissbrauch, Schwarzarbeit und Wirtschaftskriminalität.

Wer darf eine Kontenabfrage beantragen?

Unter Voraussetzungen haben Finanzämter, Arbeitsagenturen, Sozialämter und BAföG-Stellen Zugriff auf Daten aller Konten und Depots bei Banken und Sparkassen. Es geht also nicht nur um Steuerhinterziehung, sondern auch um Betrug bei staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld II, BAföG oder Wohngeld.

Für Finanzbehörden wurden 2009 Vorgaben strenger gefasst: Im Zuge der Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Zinsen und Veräußerungsgewinne wurden Befugnisse beschränkt. Die Kontenabfrage sollte damit eigentlich zur Ausnahme werden, da Ansprüche des Staates schließlich abgegolten sind.

Aber warum sind Kontenabfragen 2013 derart in die Höhe geschossen?

Das hat vor allem damit zu tun, dass seit Januar 2013 auch Gerichtsvollzieher Anträge auf Einsicht stellen können - wenn ein Schuldner Vermögensauskünfte verweigert. Abfragen müssen nach Angaben des Justizministeriums aber zwingend erforderlich sein, und die Ansprüche des Gläubigers müssen mehr als 500 Euro betragen.

Wann wird ein Kontenabruf veranlasst?

Eine Abfrage erfolgt erst, wenn ein Bürger die Zweifel des Finanzamtes an Angaben in der Steuererklärung nicht ausräumen kann. Kontenabrufersuchen im Rahmen einer Rasterfahndung oder Ermittlungen »ins Blaue hinein« sind laut Zentralamt für Steuern unzulässig. Auch wird ein neugieriger Amtsmitarbeiter nicht mal eben Konten seines Nachbarn durchforsten können. Privatpersonen können keine Anträge stellen. Das Zentralamt für Steuern prüft, ob das Ersuchen plausibel ist.

Um welche Daten geht es?

Es werden alle Arten von Konten wie etwa Spar-, Giro-, Depot- oder Kreditkonten der an dem Abrufverfahren beteiligten Kreditinstitute ermittelt. Zunächst geht es nur um Stammdaten - Name, Geburtsdatum oder Adresse - sowie Angaben über andere Verfügungsberechtigte. Erfragt werden der Tag der Errichtung und Auflösung eines Kontos. Kontostände oder Kontobewegungen dagegen werden nicht ermittelt.

Was passiert, wenn sich Ungereimtheiten ergeben?

Stellt sich heraus, dass Konten und Depots nicht angegeben wurden, wird derjenige um weitere Aufklärung gebeten. Erhärtet sich der Verdacht auf Betrug, kann das Finanzamt die Offenlegung der Guthaben und Geldbewegungen verlangen. Nicht jedes einzelne Finanzamt oder Sozialbehörde kann einfach Konto-Stammdaten abfragen. Über den Kontenabruf wird der Betroffene dann informiert - etwa im Steuerbescheid.

Von -zig Millionen Abrufen war bereits die Rede?

2005 sprach die Kreditwirtschaft von 14 Millionen Abrufen. Die enorme Differenz zwischen knapp 9000 und 14 Millionen Abfragen ergab sich aus unterschiedlichen Zählweisen. Das Finanzministerium wertet das Ermitteln von Konten eines Bürgers als nur eine Abfrage. Der eine Abruf führt automatisch zu technischen Einzelzugriffen bei sämtlichen Banken - eine Art Negativ-Ausschluss. Einige Institute sehen darin Tausende Abrufe. André Stahl, dpa

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