Thailands Generale reißen die Macht an sich

Verfassung außer Kraft gesetzt, Anführer der verfeindeten politischen Lager festgenommen

  • Frederic Spohr, Bangkok.
  • Lesedauer: 3 Min.
Die thailändische Armee hat am Donnerstag vollends die Macht im Lande übernommen. Ob sich die Lage nun tatsächlich stabilisiert, hängt vor allem von der Reaktion der Regierungsanhänger ab.

Um 16.30 Uhr Ortszeit trat Thailands Armeechef Prayuth Chan-ocha in Bangkok vor die Kameras. Neben ihm saßen aufgereiht die obersten Militärs des Landes. Mit starrer Miene verkündete der Oberbefehlshaber der Streitkräfte seine Botschaft: »Es ist nötig, dass das Kommando von Armee, Marine, Heer und Polizei für die Bewahrung von Frieden und Ordnung die Kontrolle über die Regierung des Landes übernimmt«, sagte Prayuth. Die Verfassung von 2007 sei mit Ausnahme des Artikels zur Monarchie ausgesetzt. Nur so könne Thailand zur Normalität zurückkehren. Die Botschaft wurde auf fast allen Fernsehsendern in Thailand ausgestrahlt.

Prayuth erklärte die Gespräche, zu denen er die Konfliktparteien geladen hatte, bereits nach zwei Tagen für gescheitert. Ersten Berichten zufolge sollen die Führungsstäbe beider politischer Lager festgesetzt worden sein. Darunter auch der radikale Anführer der Regierungsgegner, Suthep Thaugsuban.

Kurz bevor Prayuth seine Botschaft verkündete, hatten Truppen das Gelände umstellt, in dem die Verhandlungen geführt wurden. Wo sich der amtierende Übergangspremier Niwatthamrong Boonsongpaisan aufhielt, der nicht an den Gesprächen teilgenommen hatte, blieb zunächst unklar. Er und seine beiden Stellvertreter wurden aufgefordert, sich in die Hände der Sicherheitskräfte zu begeben. Armeechef Prayuth Chan-ocha selbst setzte sich an die Spitze des neuen machthabenden Organs, des »Rates für nationalen Frieden und die Aufrechterhaltung der Ordnung«.

Bereits am Dienstag hatte die Armee überraschend das Kriegsrecht über Thailand verhängt. Mehrmals hatten die Generale allerdings betont, dass es sich dabei nicht um einen Staatsstreich handle. Man wolle nur Ordnung und Stabilität wieder herstellen, hieß es. Die USA und auch Deutschland hatten das Militär daraufhin aufgefordert, möglichst schnell Wahlen abzuhalten und die demokratischen Institutionen des Landes nicht zu unterminieren.

Thailands Militär steht unter Verdacht, im Kampf der politischen Lager nicht neutral zu sein. Immer wieder haben die Generale demokratisch gewählte Regierungen abgesetzt und damit den alten Eliten des Landes wieder zur Macht verholfen. Es ist bereits der 19. Staatsstreich in der Geschichte des Staates Thailand.

Die bisherige Regierung war dank ihrer Sozialprogramme vor allem bei der Landbevölkerung beliebt. Weite Teile der Mittelschicht in der Hauptstadt Bangkok hielten die Regierung und ihre Partei jedoch für korrupt und forderten seit November vergangenen Jahres mit Massenaufmärschen und der Besetzung von Amtsgebäuden ihren Rücktritt. Daraufhin von der damaligen Regierungschefin Yingluck Shinawatra angesetzte Neuwahlen am 2. Februar waren von der Opposition boykottiert und im März vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden. Dasselbe Gericht setzte Yingluck am 7. Mai wegen »Amtsmissbrauchs« ab.

Die Lage in Bangkok blieb am Donnerstag ruhig, es kam zunächst nicht zu Ausschreitungen oder größeren Protesten. Soldaten marschierten an Straßenkreuzungen auf, das Leben ging aber normal weiter.

Für die Nacht hatte die Armee eine Ausgangssperre verhängt. Sie gab aber bekannt, dass sich Touristen und Geschäftsleute weiterhin auf den Weg zum und vom Flughafen machen können.

Sollte das Militär nicht schnell Wahlen einleiten, könnte es jedoch rasch zu einer Eskalation kommen. Vieles wird vor allem von der Reaktion der »Rothemden«, der Anhänger Yingluck Shinawatras und ihrer Partei, abhängen. Sie hatten mehrfach Proteste angekündigt, sollte eine nicht demokratisch legitimierte Regierung bestimmt werden.

Vorerst aber haben Regierungsgegner und -anhänger ihre Protestlager in Bangkok geräumt. Soldaten forderten die Demonstranten zum Rückzug auf, berichtete der öffentliche Sender PBS. Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen wurden ab sofort untersagt.

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