Blick nach Osten

Radikaler Ljaschko holte rechte Stimmen

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Als ein Mandat zum Dialog werteten Beobachten den Wahlsieg Poroschenkos. In Donezk wurden die Kämpfe fortgesetzt.

Einen Rücktritt des Übergangspremiers Arseni Jazenjuk hielt Wahlsieger Petro Poroschenko am Montag nicht für erforderlich. Der Kabinettschef mache eine gute Arbeit, bescheinigte ihm der designierte Präsident. Damit erhob er ihn gewissermaßen in einen demokratischen Status und zu seinem Verbündeten.

Vitali Klitschko als neuer Kiewer Bürgermeister mit 57 Prozent Stimmanteil wurde das bereits, versicherten sich doch beide als Wahlkämpfer gegenseitiger Unterstützung. Die Räumung des Maidan dürfte Klitschko kaum allein entschieden haben. Doch auch aus seiner Sicht haben »die Barrikaden ihren Zweck erfüllt«.

Chef im politischen Ring ist jetzt aber Poroschenko. Der sei legitimiert, so die OSZE-Beobachter, mit den prorussischen Separatisten im Osten des Landes »einen sofortigen und umfassenden Dialog« zu beginnen. Eine Reise dahin hat er bereits angekündigt. Wohl mit besonderer Genugtuung zitierte die russische Agentur RIA/Novosti Joao Soares, Leiter der OSZE-Mission zur Beobachtung der Wahlen. Denn er habe auch dazu aufgerufen, die Worte »Separatisten« und »Terroristen« zu vermeiden. Der OSZE-Vertreter habe es einen »großen politischen Fehler« Kiews genannt, die Bedeutung der russischen Sprache bagatellisiert zu haben. »Für mich ist es auch offensichtlich, dass die Regionen eine größere Autonomie erhalten müssen.« Soares wies allerdings ebenfalls darauf hin, dass er die Legitimität der Unabhängigkeitsreferenden in den Gebieten Donezk und Lugansk nicht anerkenne. Zudem hätten die Einwohner dieser Gebiete ihre »Haltung bei den Wahlen äußern müssen. Dies wäre bei der Stimmenauszählung sichtbar gewesen«.

Mehr als ein gutes Dutzend der Kandidaten musste sich verbleibende Stimmen teilen und blieb im einstelligen Bereich. Dazu gehörten die Parteichefs der Rechtsextremen Oleg Tjagnibok (1,3 Prozent), Swoboda, und Dmitro Jarosch (1 Prozent), Rechter Sektor. Das dürfte als Beleg für die Beteuerung gelten, dass Rechtsextreme keinen Rückhalt bei der ukrainischen Bevölkerung fänden. Allerdings verfügt Swoboda weiterhin über Regierungsämter und der Rechte Sektor über militärische Strukturen wie die Bataillone »Donbass« oder »Dnjepr« sowie die Nationalgarde. Sie wurden auf der Basis der sogenannten Selbstverteidigungskräfte des Maidan gebildet.

Manche Stimme aus dem extrem rechten Lager dürfte an den mit gut acht Prozent der Stimmen Überraschungsdritten Oleg Ljaschko gegangen sein. Das bestätigte die Soziologin Irina Bekeschkina, Direktorin des Fonds »Demokratische Initiative« noch in der Wahlnacht. Der Populist ist Chef und Namensgeber der »Radikalen Partei Oleg Ljaschko« und forderte ein noch schärferes militärisches Vorgehen im Osten. Als Abgeordneter des Parlaments in Kiew forderte er mehrfach mit Erfolg den Ausschluss der Kommunisten von Sitzungen und das Verbot ihrer und der Partei der Regionen. Auch aus solchem Druck könnte sich das Wahlergebnis für KP-Chef Petro Simonenko von rund einem Prozent erklären.

Aus dem Osten selbst wurden auch am Tag nach der Wahl einmal mehr Kämpfe gemeldet. Ukrainische Regierungstruppen seien am Flughafen der Metropole Donezk gegen prorussische Milizen vorgegangen, berichteten regierungsnahe ukrainische Medien. Kampfjets der Typen Su-25 und Mig-29 hätten die »Terroristen« beschossen. Nun sollten Bodentruppen das Gelände »reinigen«. Zuvor sei ein Ultimatum verstrichen. Mit den prorussischen Kämpfern will auch der neue Präsident nicht reden. »Es gibt keine Gespräche mit Terroristen«, teilte er mit. Er werde nicht zulassen, dass die Ostukraine »zu einem Somalia wird«, sagte er mit Blick auf das nordostafrikanische Bürgerkriegsland.

Aus Donezk und Lugansk kam unter Berufung auf RIA/Novosti ein Dementi. Die »Volksrepubliken« hätten sich Samstag nicht zu einer Republik »Novorossia« (Neurussland), sondern einer »Union der Volksrepubliken« aus zwei selbstständigen Teilen zusammengeschlossen.

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