Mit Gott gegen den Papst
Der Liedermacher Prinz Chaos II. legt ein klassikerverdächtiges Album vor
Wenn Deutsche auf Englisch singen, dann fällt das sehr oft auf, auch wenn sie es akzentfrei tun. Es ist dann einfach ein anderes Englisch. Prinzipiell stellt sich da die Frage, warum sie nicht auf Deutsch singen. Sie haben doch etwas zu sagen, oder? Geradezu skurril ist es, wenn in Liedern zwischen Deutsch und Englisch abgewechselt wird.
Letzteres tut immer wieder der aus München stammende Liedermacher Prinz Chaos II. Aber wer ein richtiger Anarchist ist, der ist auch ein methodischer und macht am besten einfach, wonach ihm der Sinn steht. Diesem Prinzip folgt offensichtlich der Mittdreißiger, der sich als Weiterentwickler der Tradition des politischen Liedermachertums versteht. Dieser Tage ist sein zweites Album »Tsunami Surfer« erschienen, wie schon das erste sowie eine kürzere CD auf dem Label seines Freundes Konstantin Wecker.
Der Ansatz des selbst ernannten Monarchen mit der Gitarre, der sich von Klavier, Kontrabass und Schlagzeug begleiten lässt, ist dabei vor allem, aus der eigenen Lebenswelt Themen zu schöpfen. So besingt er das Thüringer Dorf Weitersroda, in dem er vor einigen Jahren ein heruntergekommenes Schlösschen gekauft hat, das er zu einem Anziehungspunkt für musikalisch und sonstwie Kreative gemacht hat; er verarbeitet seine Zeit in einer Düsseldorfer Werbeagentur; und wiederholt thematisiert er schwules Leben. Da vermischt sich Politisches mit persönlichem Gefühlsleben, wobei der Stil stets ein eindringlicher ist: Der Sänger spricht. Er hat sehr wohl ständig etwas zu sagen.
So haben gleich mehrere Lieder Klassikerpotenzial, vor allem für Schwule. Während »Queer as Folk« noch »nur« eine Anklage gegen eine bloß oberflächliche und klischeebeladene Akzeptanz von Schwulen in der Gesellschaft und das Vergessen der jahrhundertelangen Ausgrenzungsgeschichte ist, dürfte es ein mutiges Bekenntnis wie jenes, um das es in dem Lied »Ficken« geht, noch nicht oft, wenn überhaupt im deutschsprachigen Liedgut geben. Geradezu kultverdächtig, vor allem für Berliner, ist die abgefahrene Geschichte, die der Kirchenkritiker anlässlich des Besuchs von Papst Benedikt in der Hauptstadt zusammenfantasiert und musikalisch abwechslungsreich umgesetzt hat und an deren Ende das antichristliche Kreuzberg das Papamobil samt »Ratzelspatzel« im Landwehrkanal versenkt.
Strotzt dieser Text von fast epischer Länge schon vor Kreativität, so ist es eine der ruhigen Nummern auf der CD, die einen geradezu staunen machen kann. Ich dachte spontan, dass es sich um das Cover eines schon lange existierenden Liedes handeln müsse, so schön ist es, so naheliegend sein Thema, so unanarchistisch und unantichristlich sein erster Vers. Ich kenne keine andere Unterstellung an das vermeintliche Treiben eines personal gedachten Gottes, die ich mir gefallen lasse, als diese beiden Zeilen: »Wofür hat Gott die Menschen gemacht? Dass man sich wärmt in der Nacht.«
Aber na gut, dann ist eben auch dieses Lied komplett vom Prinzen, der (auch) damit zeigt, dass er ein Großer ist, und zwar nicht nur als Liedermacher. Denn ein Anarchist braucht nicht antireligiös verbohrt zu sein, er kann auch mal, wie es so schön heißt, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und sich somit erst recht seiner eigenen Souveränität versichern.
Prinz Chaos II.: Tsunami Surfer (Sturm und Klang), auch als kompletter oder teilweiser mp3-Download unter www.prinzchaos.com. Vom 29.5. bis 1.6. veranstaltet Prinz Chaos II. wieder das viertägige Liedermacher-»Paradiesvogelfest« auf Schloss Weitersroda. Zudem spielt er beim »Rebellischen Musikfestival«, 6. bis 8. Juni, in Truckenthal/Thüringer Wald
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.