Zur Wahl steht dreimal Assad
Nuri gegenüber »neues deutschland«: Der Westen macht einen großen Fehler
»Drei Kandidaten haben wir für die Präsidentschaftswahl«, sagt der Apotheker Omar auf die Frage, ob er am heutigen Dienstag wählen geht. »Baschar al-Assad, Baschar al-Assad, Baschar al-Assad«, zählt er an seinen Fingern ab und schüttelt aufgebracht den Kopf.
Auf keinen Fall werde er wählen gehen, er hoffe, dass etwas ganz anderen passieren werde. Der Apotheker Omar stammt aus Duma, einem Vorort von Damaskus, der noch immer von bewaffneten Gruppen kon᠆trolliert und von den syrischen Streitkräften belagert wird. In Duma war sein Zuhause, dort hatte er eine gut gehende Apotheke, doch das ist vorbei. Seit mehr als einem Jahr wohnt er mit Frau und drei Kindern bei den Schwiegereltern in der Altstadt von Damaskus und wartet darauf, dass die bewaffneten Gruppen die syrische Regierung endlich stürzen, mit ausländischer Hilfe, »so Gott will«.
Einige der bewaffneten Gruppen in den Großstädten Hama und Idlib haben für den Wahltag Anschläge angekündigt, um die »illegalen Wahlen« zu verhindern. Auf Flugblättern wurde die Bevölkerung gewarnt, ihre Häuser zu verlassen. Manche Leute erwarteten einen militärischen Angriff aus Israel oder Jordanien, um die Präsidentschaftswahlen in Syrien zu stören, erklärt Nabil, ein pensionierter Agraringenieur, der mit Omar dem Apotheker verwandt ist. Die Männer sitzen bem Kaffee zusammen und streiten, wie schon seit Monaten. Der eine hält die bewaffneten Gruppen für »Terroristen«, der andere sieht sie als »Befreier«. Beide wollen politische und wirtschaftliche Reformen für ihre Heimat, doch wie das geschehen kann, weiß keiner von ihnen.
»Unser Land ist gespalten und unsere Familien dazu«, seufzt Nabil. Die einen glauben »alles, was Al Dschasira (Katar) und Al Arabiya (Emirate) berichten«, sagt er und wird sofort von Omar unterbrochen: »Und du glaubst nur, was Al Dunja sagt«, ein syrischer Fernsehsender, der aus Sicht der syrischen Regierung berichtet.
Die syrische Hauptstadt gleicht derweil vielen anderen Städten, die sich im Wahlkampf befinden. Plakate und Transparente hängen von Hauswänden und Brücken, staatliche Gebäude sind mit Wimpeln in den Farben weiß, schwarz und rot geschmückt, den syrischen Nationalfarben. Die überwiegende Mehrheit zeigt Präsident Assad, der nach sieben Jahren Amtszeit erneut kandidiert. Die Bilder der anderen beiden Kandidaten, Maher al-Hadschar und Hassan al-Nuri sind sehr viel seltener zu finden. »Die Baath-Partei hat zwei Millionen Mitglieder«, wirft Nabil ein, »ist doch klar, dass sie alle für Assad sind und das auch zeigen.«
Selbst der Kandidat Nuri ist überzeugt, dass der neue Präsident der alte sein wird. »Werde ich gewinnen? Nein«, sagt er im Gespräch mit der Autorin in Damaskus. »Warum nicht? Weil der Wind sich in Richtung von Assad gedreht hat. Er hat dem Terrorismus im Land eine Niederlage zugefügt, darum versammeln sich die Syrer hinter ihm.« Das sei die Realität in Syrien. Der Westen mache einen großen Fehler, wenn er das weiter ignoriere.
Die Reisetätigkeit hat sich in diesen Tagen deutlich erhöht. Am Grenzübergang von Libanon nach Syrien war seit Sonntag ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen zu verzeichnen. Offenbar wollten viele Syrer noch vor den Präsidentschaftswahlen nach Syrien einreisen. Manche aus Angst, weil sie befürchten, wenn sie sich nicht an den Wahlen beteiligen, könnten ihnen Pensionen gestrichen oder die Wiedereinreise verwehrt werden. Andere, weil sie darauf hoffen, dass - nach den gescheiterten Gesprächen in Genf - mit Assad letztendlich doch ein Ende des Krieges erreicht werden könnte. »Ohne Assad wird hier das Chaos ausbrechen«, sagt der Taxifahrer Samir, der der Regierung gegenüber ansonsten kritisch eingestellt ist. »Syrien lässt sich nicht über Nacht ändern, dass haben wir zur Genüge gesehen. Wir hören, dass es nach den Wahlen eine große Amnestie für die Gefangenen geben könnte. Wenn Assad das macht, werden die Syrer sich nicht nur halbherzig sondern zu hundert Prozent hinter ihn stellen.«
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