Polen zelebrierte Kommunismus-K.o.
Offizieller Jubel vor dem Warschauer Königsschloss zum Jubiläum mit Staatsgästen
Vor einem Vierteljahrhundert schaute von allen Mauern und Werbesäulen von einem riesigen Plakat Gary Cooper als Film-Sheriff eines Western auf die Polen herab. Am Mittwoch erschien der amerikanische Schutzmann an der Weichsel persönlich. Barack Obama ließ sich zum zweiten Mal in Warschau feiern. Auf dem Weg in die Omaha-Bucht in der Normandie, wo vor 70 Jahren die westlichen Alliierten landeten, nutzte der US-Präsident während der polnischen Freiheitsfeier die Gelegenheit zur Ankündigung einer »neuen Initiative für Europa« als erste Phase der »Abschreckung Russlands«.
Sein Verlangen, die Militärausgaben der europäischen NATO-Staaten zu erhöhen, wurde vom polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski geradezu mit Freude aufgenommen. Er werde sich an die Regierung und an den Sejm wenden, s Komorowski, die Militärausgaben auf bis zu zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Angesichts der sozialen Schieflage in fast allen der für normale Bürger lebenswichtigen Bereiche dürfte der Protest seitens der »Zurückgebliebenen der Transformation« kaum auf sich warten lassen.
Die Hauptfeierlichkeiten zum »25. Jahrestages des Sieges der Freiheit« fanden vor dem Warschauer Königsschloss statt. Auf dem mit Stahlzäunen abgesperrten Platz war neben den geladenen Vertretern von 40 europäischen Staaten, darunter auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, die höchste polnische »Solidarnosc«-Prominenz versammelt. Angetreten waren aber auch ehemalige »linke« Politiker, die zweimal die Regierung gestellt und den kapitalistischen Reformkurs in neoliberaler Ausführung mitgestaltet hatten.
Öfter als in dieser Zeremonie hätte man das Wort »Freiheit« wohl nicht aussprechen können. Ebenso oft gelang das aber auch mit dem »ganzen polnischen Volk«, das damals tatsächlich zu 62 Prozent dem Aufruf zum Urnengang folgte. Danach lag die Wahlbeteiligung dann allerdings immer bei oder sogar nur unter 50 Prozent.
Das Hochamt der Freiheit wurde von Staatspräsident Bronislaw Komorowski und Barack Obama konzelebriert. Es war wirklich wie in einer Messe, Weihrauch hing in der trüben Luft. Man habe den Kommunismus mit einem Knockout zu Boden gestreckt, prahlte Komorowski, und das Volk vom »totalitären Joch« befreit.
Hinter einer Scheibe aus Panzerglas stimmte der Gast aus Übersee zu und lobte das stets für »eure und unsere Freiheit« kämpfende Polen angesichts seiner westlichen Treue. Abermals versicherte er, dass Amerika Polen, aber auch die Ukraine, nicht im Stich lassen werde. Die Wahlen am 4. Juni 1989 seien »der Anfang vom Ende des Kommunismus« gewesen, würdigte Obama die besondere Rolle Polens in Osteuropa. Der Impuls aus diesem Land habe sich auch in anderen kommunistischen Staaten verbreitet.
»Polen hat uns daran erinnert, dass manchmal die kleinen Schritte die Welt verändern können«, sagte Obama unter dem Beifall einiger tausend Teilnehmer der Veranstaltung. Der US-Präsident würdigte insbesondere den »Mut der katholischen Kirche« und den »Geist von Papst Johannes Paul II.«, der maßgeblichen Einfluss auf den politischen Umbruch in seiner polnischen Heimat genommen habe.
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