Ohne Koordinierung und Konzept
Angesichts der palästinensischen Einheitsregierung flüchtet sich Israel in hilflose Provokationen
Selten zuvor waren die Reaktionen deutlicher: Man sei »zutiefst enttäuscht«, sagt die Europäische Union; »nicht hilfreich«, findet das US-Außenministerium die Ankündigung der israelischen Regierung in israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland Wohnungen für bis zu 3300 Menschen bauen zu lassen. »Komplett sinnlos«, urteilt sogar Justizministerin Zipi Livni, die bis vor Kurzem die Verhandlungen mit der palästinensischen Regierung führte. Auch die Bundesregierung hat am Freitag mit Kritik auf neue Pläne für den Bau Tausender israelischer Siedlerwohnungen in den Palästinensergebieten reagiert.
Der Immobilienmarkt in den Siedlungen sei am Zusammenbrechen, heißt es bei der israelischen Maklervereinigung; Häuser und Wohnungen dort seien vielerorts nahezu unverkäuflich; auch viele der Wohnungen, deren Bau im Laufe der vergangenen Monate angekündigt worden war, werden nie gebaut, weil dort kaum jemand einziehen will.
Was mit diesem Schritt beabsichtigt war, können nicht einmal Mitarbeiter von Regierungschef Benjamin Netanjahu sagen. Manche glauben, dass damit die Palästinenser provoziert werden sollten. Andere sind der Ansicht, dass der Premier die rechten Koalitionspartner besänftigen wollte, bis er sich selbst einen Plan zurecht gelegt hat. Doch die vorherrschende Meinung in Politik und Öffentlichkeit ist, dass die Regierung völlig unkoordiniert und konzeptlos handelt.
Die ausländische Zustimmung für die neue Regierung in Palästina hat Netanjahu überrascht. Noch am Wochenende zuvor hatte es so ausgesehen, als würden sich die Vereinigten Staaten hinter die israelische Haltung stellen.
Doch passiert ist das genaue Gegenteil. Nicht nur erklärte Washington, dass man mit der Einheitsregierung zusammenarbeiten wird - man ließ sogar Dan Shapiro, den US-Botschafter in Tel Aviv, in einem Interview sagen, dass Israels Regierung an jenem Tag, an dem das Kabinett vereidigt wurde, 500 000 US-Dollar aus Zoll- und Mehrwertsteuereinnahmen an die Palästinenser überwiesen hat.
Dort hat sich das neue Kabinett mittlerweile an die Arbeit gemacht. Dabei achtet man sehr genau auf Transparenz. So hat ein Komitee damit begonnen, die gut 20 000 Menschen, die bisher für die Hamas-Ministerien in Gaza gearbeitet haben, zu durchleuchten. Nur, wer die Überprüfung übersteht, soll auf die Gehaltsliste der neuen Regierung gesetzt werden. Die Polizisten der Hamas werden indes von einem Komitee unter ägyptischer Aufsicht gecheckt. Mit beidem soll sichergestellt werden, dass kein Geld an die Hamas fließt und damit eine Bedingung des US-Kongresses für die amerikanischen Finanzhilfen erfüllt wird.
Eine Wahrheitskommission soll derweil die Folgen der palästinensischen Spaltung aufarbeiten. Ihr Hauptaugenmerk ruht auf den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Gaza-Streifen, die im Sommer 2007 zur Machtübernahme durch die Hamas geführt haben.
Die palästinensische Öffentlichkeit reagiert auf die Entwicklungen mit Hoffnung, aber auch Sorgen. Im Westjordanland befürchtet man, dass die Hamas nun versuchen wird, dort stärker den Lebensstil zu beeinflussen. Und in Gaza kam es in den vergangenen Tagen zu Tumulten, nachdem die Angestellten der Hamas-Regierung feststellen mussten, dass sie nicht bezahlt worden waren. Mit der Vereidigung der neuen Regierung waren die Zahlungen gestoppt worden; zunächst sollten die Überprüfungen abgeschlossen werden.
Vor allem aber hoffen die Menschen in Gaza auf eine Lockerung der Blockade. Zumindest Ägypten hat bereits eine dauerhafte Öffnung der Grenze in Aussicht gestellt, sobald die neue Regierung der Palästinenser voll funktionsfähig ist.
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