Krieg in Südsudan lässt uns nicht kalt
Sudans Außenminister Ali Karti über den Fall Ibrahim und den Konflikt im 2011 unabhängig gewordenen Süden
nd: Über Sudan ist im Gegensatz zu Südsudan die Nachrichtenlage hierzulande meist dünn. Derzeit macht der Fall Meriam Ibrahim Schlagzeilen, einer zum Christentum konvertierten Sudanesin, der deswegen die Todesstrafe droht. Ist eine letztinstanzliche Entscheidung schon gefallen?
Ali Ahmed Karti: Nein. Und um es klarzustellen: Die Entscheidung wird von der Justiz getroffen und nicht von der Regierung. Das ist in Sudan nicht anders als in Deutschland. Die Justiz in Sudan agiert unabhängig von den politischen Machthabern, ebenso wie die Legislative. Die Regierung wird und darf darauf keinen Einfluss nehmen. Die Justiz wird das auf der Grundlage des geltenden Rechtes klären. Es ist ein Fall zwischen der Frau und ihren Familienangehörigen. Die Regierung ist nicht involviert. Bisher ist der Fall in der ersten Instanz. Es gibt vier Ebenen und eine Verfassung, auf deren Grundlage die Justiz entscheiden wird. Es gibt viele Mittel, diese Angelegenheit beizulegen. Wir sind sicher, dass die Justiz einen Weg findet; die Regierung wird sich da nicht einmischen.
Gab es einen solchen Fall in der Justizgeschichte Sudans schon einmal?
Nein. Das ist das erste Mal.
Sie haben dieser Tage den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier getroffen. Danach wurde vermeldet, dass er Druck in der Causa Ibrahim auf sie ausgeübt hätte. Stimmt das?
Nein. Er hat Verständnis für die Situation unserer Regierung gezeigt, nachdem ich ihm die Sachlage auseinandergesetzt habe. Selbstverständlich hat er gesagt, dass er es begrüßen würde, wenn die Regierung sich für Frau Ibrahim verwände. Und selbstverständlich besorgt uns dieser Fall, wir sind Menschen und wir wollen eine menschliche Lösung.
Welche Punkte waren im Austausch mit Steinmeier sonst noch von Belang?
Hauptsächlich ging es um die bilateralen Beziehungen. Sudan und Deutschland haben eine lange Geschichte von Beziehungen. Steinmeier hat Sudans Bedeutung aufgrund seiner Ressourcen aber auch vor allem wegen seiner wichtigen Bedeutung für die Stabilität der Region betont. Obwohl wir bekanntlich unsere internen Probleme haben, sind wir nach außen stabilisierend: Wir üben mäßigenden Einfluss auf die Konflikte in Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und nicht zuletzt in Südsudan aus, wo wir zusammen mit Äthiopien und Kenia die Vermittlungsbemühungen anführen. Auch zwischen Äthiopien und Eritrea agieren wir als Schlichter, wie zwischen Äthiopien und Ägypten rund um den von Addis Abeba geplanten Staudamm. Sudans Rolle als Stabilisator ist Steinmeier nicht verborgen geblieben. Er sieht den Unterschied zwischen Sudan und vieler seiner instabilen Nachbarn.
Einer dieser instabilen Nachbarn ist Südsudan, Afrikas jüngster Staat, der sich 2011 von Sudan relativ friedlich abgespalten hat. Seit Dezember 2013 tobt dort ein offener Konflikt zwischen den Milizen von Präsident Salva Kiir, eines Dinka, und denen von Riek Machar, eines Nuer. Wie positioniert sich Khartum - auf der Seite des gewählten Präsidenten Salva Kiir?
Er ist gewählter Präsident und hat in diesem Sinne unsere Unterstützung. Aber wir kämpfen nicht mit ihm, wir schicken keine Soldaten für ihn, wir haben nicht einmal Soldaten geschickt, um die Ölproduktion in den Grenzgebieten auf Seiten Südsudans zu sichern. Kurzum: Militärisch halten wir uns von dem Konflikt fern, auch wenn uns Kiir um Unterstützung gebeten hat. Eines aber muss auch klar sein: Gewählte Regierungen müssen respektiert werden. Wo kämen wir denn sonst hin? In ein Schlamassel ohne Ende. Es muss mit Kiir eine friedliche Lösung gefunden werden. Wir reden mit beiden Seiten, um in diesem Sinne voranzukommen.
Wie wirkt sich der Konflikt in Südsudan auf Sudan aus?
Negativ. Über die Verteilung des Öleinkommens wurde zwischen Khartum und Juba ja Einigung erzielt, doch nun liegt rund die Hälfte der Ölförderung brach und damit haben wir einen beachtlichen Einnahmenausfall. Zweiten haben wir einen Zustrom von Flüchtlingen zu verkraften. 85 000 Menschen haben sich bereits in den Norden gerettet. Wir beherbergen auch mehr als 50 000 Schüler und Studenten aus Südsudan. Und wir unterstützen Südsudan mit Hilfslieferungen - bisher 15 Tonnen. Südsudan lässt uns nicht kalt. Wir haben eine mehr als 2000 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Das verbindet.
Sind die Grenzverläufe inzwischen klar? Rund um die Sezession gab es Konflikte in Süd-Kordofan, Blauer Nil und Abyei?
Die Grenzverläufe sind noch nicht definitiv geklärt. Die Verhandlungen darüber sind seit dem internen Konflikt in Südsudan auf Eis gelegt.
Aus Sudan selbst dringt wenig nach Deutschland. Vor dem Fall Ibrahim waren es im September 2013 Nachrichten über Unruhen in der Hauptstadt Khartum wegen Benzinpreiserhöhungen mit Dutzenden Toten. Wie ist jetzt die Lage?
Die hat sich längst normalisiert. Es waren drei Tage Unruhen, leider mit vielen Toten. Es sind Unruhen, wie sie überall in der Welt vorkommen. Jedes Leben ist wichtig, keine Frage. Doch Unruhen gibt es immer wieder - und in Sudan, scheint es, achten die Medien besonders drauf.
Gegen Sudan gibt es seit vielen Jahren internationale Sanktionen, gegen den Staatspräsident Omar al-Baschir seit 2008 einen internationalen Haftbefehl. Wie wirkt sich das aus?
Das erschwert die Lage. Die Sanktionen gibt es auf Druck der USA schon seit mehr als 20 Jahren. Wir haben uns an das Umfassende Friedensabkommen für Sudan (CPA) von 2005 gehalten. Wir haben unseren Teil erfüllt. Die internationale Gemeinschaft hat dafür die Aufhebung der Sanktionen und die Lösung des Problems der Auslandsverschuldung in Aussicht gestellt. Passiert ist bisher nichts. Wir hoffen, dass sich das bald ändert.
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