Als der MDR das Funkhaus räumte
Magdeburg erlebte vor einem Jahr die größte Elbeflut in der Geschichte der Stadt
Ein halber Tag Regen reicht aus: Da sind sie wieder, die Bilder von 2013. Für viele Magdeburger ist das Trauma der Elbeflut bis heute gegenwärtig. Die Erinnerung kommt zurück, an kleine Bäche, die aus dem Fuß eines Walls fließen. Feuerwehrleute pumpen die Elbe zurück in ihr nicht mehr erkennbares Bett. Sie haben große Zelte aufgebaut und werden über Tage bleiben. Es war der 9. Juni 2013, ein freundlicher und warmer Sonntag, als der Pegel auf den Rekordwert von 7,47 Meter stieg.
Bei der Flut im August 2002 zeigten die großformatigen Ziffern an der Strombrücke als Höchststand 6,72 Meter an. Der Mittelwert liegt bei knapp zwei Meter. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) sprach nun, gerade mal elf Jahre nach der »Jahrhundertflut«, vom »größten Hochwasser in der Geschichte unserer Stadt«. Am 9. Juni schossen an der Strombrücke mehr als 5000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde vorbei in Richtung Norden - eine bis dahin nie zuvor dokumentierte Menge.
»In den Tagen des Hochwassers war ich voller Adrenalin und brauchte kaum Schlaf. Danach aber bin ich in ein totales Loch gefallen«, erzählt eine Frau aus dem Stadtteil Cracau, die 2002 bei Bekannten in der Innenstadt untergekommen war: »Eins war dann klar: So etwas will ich nie wieder erleben.« Doch dann kam 2013 schon wieder das Wasser: »Der Horror«, sagt sie, heute nicht weniger schockiert als vor einem Jahr.
Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt rief insgesamt 20 000 Einwohner auf, ihre Häuser zu verlassen und zu Verwandten oder Freunden zu fliehen. Betroffen waren vor allem Menschen von der Ostseite der Elbe. Über die Brücken rasten in Richtung Westen Autos mit Hängern, auf denen Tiefkühltruhen und Möbel festgezurrt waren. Straßenbahnen standen still, dafür fuhren Lautsprecherwagen vom Ordnungsamt.
In Teilen des Industriegebiets in Rothensee und in einigen Wohnhäusern stand die Elbe schon. Der MDR verließ sein Landesfunkhaus im Stadtpark, der einem riesigen See glich. Wasser strömte auch nach Buckau hinein, ein Pflegeheim wurde evakuiert. Den größten Kraftakt vollbrachten die diakonischen Pfeifferschen Stiftungen im östlichen Cracau. Mehr als 400 Krankenhauspatienten, Altenheimbewohner, Hospiz-Insassen und behinderte Menschen wurden in andere Einrichtungen verlegt. Die Stadtverwaltung versicherte in einer Pressemitteilung: »Werder wird mit allen Mitteln verteidigt.« Das klang wie Krieg, aber auch nach Verzweiflung. Der Ortsteil Werder liegt als Flussinsel zwischen der Stromelbe und der Alten Elbe.
Dank Tausender professioneller Helfer und Freiwilliger blieb Magdeburg letztlich von einer wirklich großen Katastrophe verschont. Nach Schätzungen hat die Flut dennoch bis zu 250 Millionen Euro Schäden an städtischen Einrichtungen und der Infrastruktur angerichtet. Hinzu kommen Zerstörungen unter anderem an Firmen, Sozialwerken und privaten Wohngebäuden.
Die Flut schoss wie auch 2002 aus Richtung Sachsen und Tschechien heran, aber nicht so stark wie damals. Doch 2013 brachte auch die Saale, die südlich von Magdeburg in die Elbe mündet, extremes Hochwasser mit. Fachleute sagen heute: Wenn Wassermassen wie 2002 aus Sachsen und der Saale wie 2013 zusammentreffen, ist bei 7,47 Meter an der Strombrücke wohl noch nicht Schluss. dpa/nd
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