Mehr Prüfungen, mehr Transparenz
Ein Jahr nach dem »Fall Mollath« liegt ein Reformvorschlag zur forensischen Unterbringung vor
Am 7. Juli beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen »Gustl« Mollath, der 2013 nach sieben Jahren Zwangspsychiatrie entlassen wurde. Es hatte sich herausgestellt, dass seine Informationen über Schwarzgeldgeschäfte bei der Nürnberger Hypovereinsbank keineswegs von Paranoia zeugten, sondern in weiten Teilen zutrafen. Bei dem Prozess geht es erneut um die Vorwürfe, von denen man Mollath seinerzeit aus Mangel an »Schuldfähigkeit« freigesprochen hatte, um ihn als gemeingefährlich wegzusperren.
Damit könnte der Justizskandal zu einem vorläufigen Ende kommen. Und auch die politische Debatte zeigt nun erste Resultate. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll eine Neufassung des Paragrafen 63 im Strafgesetzbuch erarbeiten, auf dem der Skandal basierte. Nun hat Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) einen Vorschlag vorgelegt, den seine Schweriner Kollegin Uta-Maria Kuder (CDU) sogleich als »gute Diskussionsgrundlage« begrüßte.
Der fragliche Paragraf 63 kennt keinen Zusammenhang zwischen tatsächlich begangenen Taten und einer forensischen Unterbringung. Entscheidend sind allein die einem Delinquenten gutachterlich zugetrauten »Prognosetaten«. Diese sollen nun konkretisiert werden. Bisher ist im Gesetz vage von »erheblichen rechtswidrigen Taten« die Rede. Jetzt soll ein Halbsatz eingeführt werden, der dies auf zu erwartende schwerwiegende Taten gegen Leib oder Seele eines Dritten sowie schwere wirtschaftliche Schäden einengt. Die Unterbringung von prognostizierten Wirtschaftstätern soll auf sechs Jahre beschränkt werden.
Darüber hinaus will Bausback den Umgang mit Internierten verbessern. Künftig soll alle drei Jahre ein externer Psychiater ein Gutachten über die Fortdauer der Maßregel erstellen, nicht nur mindestens alle fünf Jahre. Außerdem sollen die Untergebrachten in Zukunft mündlich angehört werden, bevor über eine Verlängerung entschieden wird - bisher geschieht dies oft nach Aktenlage. Zudem sollen diese Anhörungen auf Wunsch öffentlich stattfinden. So, erklärte der Minister, werde das »Vertrauen in den Rechtsstaat« gestärkt.
Der Vorschlag bewegt sich etwa in dem Rahmen, den Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der Arbeitsgruppe gegeben hatte. Auch das BMJ wollte sicherstellen, dass etwa »Prognosetaten« gegen die »öffentliche Ordnung« nicht länger ausreichen. Nach dem BMJ-Papier sollte die Unterbringung wegen erwarteter Wirtschaftstaten auf acht Jahre beschränkt werden, wo Bausback nur noch sechs Jahre will. Allerdings hatte Leutheusser-Schnarrenberger eine externe Untersuchung alle zwei statt, wie nun vorgesehen, alle drei Jahre angeregt - und wollte zudem im ersten Jahr jeder Unterbringung zwei und im weiteren Verlauf jeweils eine interne Überprüfung pro Jahr.
Von Letzterem ist nun nicht mehr die Rede. Dabei liegt gerade bei der Überprüfung solcher Unterbringungen vieles im Argen. Laut dem BMJ-Papier stieg die Zahl der nach Paragraf 63 Untergebrachten alleine in den alten Bundesländern von 3000 im Jahr 1996 auf 6750 im Jahr 2012. Nicht, weil so viel mehr Anordnungen ergingen, sondern weil die Verweildauer steigt - vor dem Hintergrund von Wegsperrparolen.
Die Frage, ob sein Entwurf eine liberalere Haltung der CSU signalisiere, soll Bausback verneint haben. Ruben Franzen von der Neuen Richtervereinigung (NRV) würde sich denn auch eine größere Reform wünschen - etwa die komplette Streichung der Wirtschaftsdelikte aus dem Katalog der »Prognosetaten«.
Was genau unterbringungswürdig »schwerwiegende« Taten im Sinne eines reformierten Gesetzes seien, lasse sich nicht pauschal festlegen, sagt eine Sprecherin des Münchner Justizministeriums. Das müsse sich in der Praxis anhand »maßstabbildender Beispielfälle« verdichten. Darüber, ob Mollath aufgrund eines dergestalt gefassten Paragrafen hätte eingesperrt werden können, lässt sich also nur spekulieren. Vorgeworfen wurde ihm, Autoreifen zerstochen und seine Frau gewürgt zu haben - was er allerdings bestritt. Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass sich darin auch weiterhin ein Unterbringungsgrund finden ließe. Zumindest in einem weniger prominenten Fall.
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