Vom Geburtenhoch überrascht
Leipzig und Dresden legen demografisch zu - prompt fehlt es an Einrichtungen
Gegen den ostdeutschen Trend erweisen sich die sächsischen Städte Dresden und Leipzig seit Jahren als enorm fruchtbar. Prompt fehlt es dort nun an Kitas sowie an ausreichend qualifiziertem Betreuungspersonal. Ein wichtiger Faktor ist in diesem Zusammenhang die niedrige Säuglingssterblichkeit in Sachsen: In Bremen starben in den Jahren 2010 bis 2012 von je 10 000 Neugeborenen 36 bei der Geburt oder kurz danach, in Niedersachsen waren es 30, in Nordrhein-Westfalen 28 - in Sachsen dagegen lag die Zahl bei 14. Experten führen dies auf die hohe Spezialisierung der Kliniken im Osten zurück. Denn auch Sachsen-Anhalt und Thüringen (je 15) stehen hier gut da.
Mithin ist Leipzig laut einem aktuellen »Focus«-Ranking derzeit die deutsche Metropole mit dem größten Bevölkerungszuwachs im Verhältnis zur Stadtgröße. Und Dresden kann sich mit 116 Geburten auf 10 000 Einwohner (2013) als die überhaupt geburtenfreudigste Großstadt der Republik feiern.
Natürlich lässt sich das nicht auf den ganzen Osten übertragen, auch wenn Potsdam, Rostock oder Jena in bei der Bevölkerungszahl derzeit leicht zulegen, gerade Jena auch dank der Geburtenrate. Doch während die DDR noch in ihrer Endphase statistisch gesehen zwei Jahre jünger als die alte Bundesrepublik war, leiden heute viele Ostregionen unter Vergreisung: Erst ziehen die jungen Frauen der Arbeit wegen in den Westen und dann bekommen sie dort auch ihre Kinder. Die alte Heimat blutet so doppelt aus.
Dort, wo der Osten nun demografisch wieder zulegt, wirken die Verantwortlichen davon überrascht. So fehlt es oft an vielem, was ein Geburtenhoch nach sich zieht: Kitas, Betreuungspersonal, Schulen, große Wohnungen etc. Dabei gab es 1990 wahrlich genug Kindereinrichtungen in Sachsen. Doch in den fast durchweg CDU-geführten Verwaltungen geriet nichts schneller auf die Streichlisten als jenes kommunale Zukunftsmobiliar. Jahr für Jahr schloss das Land Sachsen um die hundert Schulen, die Kommunen machten derweil ihre Kitas dicht. Dabei zeichnet sich doch schon seit zehn Jahren jene neue Fruchtbarkeit in Leipzig und Dresden ab. Wer meinte, mit Blick auf den seit 2013 einklagbaren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz sei der Osten noch immer im Vorteil, irrte denn auch: Den bundesweit ersten Prozess um einen Betreuungsplatz erlebte Leipzig, die alleinerziehende Mutter siegte. Leipzigs Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) stellte ihrer Tochter daraufhin aus einer stillen Reserve einen Platz bereit. Zugleich wurden zusätzlich auch vier Sozialpädagoginnen eingestellt: Sie kümmern sich nun um die betroffenen Familien. Denn obwohl derzeit an 17 von 30 geplanten Kitas gewerkelt wird, so dass 2014 nach Rathausauskunft bis zu 2500 Plätze neu entstehen, bleibt es eng. Immerhin avisierte die Stadt zu Jahresbeginn sogar 5000 neue Plätze für die Zukunft.
Etwas anders sieht es inzwischen in Dresden aus. Zwar findet nicht jede Mutter die ihr genehme Einrichtung vor der Haustür, doch in der Summe reichen die Plätze derzeit immerhin. Denn einerseits hatte man diesbezüglich im Rathaus die Zeichen der Zeit eher erkannt, andererseits war auch mehr Geld für neue Kitas in der Schatulle. Da Dresden 2006 seinen kommunalen Wohnungsbestand komplett privatisiert hatte, konnte es auch leichter 24,5 Millionen Euro in 12 000 neue Kita-Plätze investieren.
Dennoch sind auch in Dresden wegen des anhaltenden Geburtenhochs bis 2016 weitere 4000 Kita-Plätze erforderlich - wie auch geeignetes Personal dafür. Gerade daran fehlte es zuletzt noch. Doch für die 70 Erzieherinnenstellen, die bis Juli neu zu besetzen sind, soll es nun bereits 400 Bewerbungen geben.
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