Abos trotz Hybris
Die Krautreporter haben innerhalb von 30 Tagen 900.000 Euro gesammelt
Bei jeder bedeutsamen Spendengala gibt es einen großzügigen Gönner, der scheinbar im letzten Moment zielgerichtet aus dem Hintergrund tritt und mit heldenhaftem Gestus allen Beteiligten den Tag rettet, indem er aus dem zuvor meist kläglichen Betrag mittels Scheckübergabe handstreichartig eine für die Initiatoren erkleckliche Summe zaubert. TV-Spendenmarathons zehren von diesem Effekt, der nicht nur unmittelbar den Gesamterlös hebt, sondern all jene unter psychologischen Zugzwang setzt, die zuvor noch zögerten, ob sie das Portemonnaie öffnen wollen oder nicht. Am Ende will aber schließlich niemand von sich sagen müssen, er wäre nicht dabei gewesen, als es um eine große Sache ging.
Für die Krautreporter und ihr ehrgeiziges Ziel, innerhalb von nur 30 Tagen im Internet 900 000 Euro für den Start eines werbefreien Onlinemagazins zu sammeln, übernahm Jakob Augstein den Part des gönnerhaften Retters. Der Verleger und Journalist sparte vergangene Woche nicht mit Lob, verglich die Relevanz der auf wackligem Fundament zu scheitern drohende Magazinneugründung mit der Geburtsstunde der »taz« Ende der 70er Jahre. Während die Gründer der »tageszeitung« im Vorinternetzeitalter zwecks Abowerbung noch durch Westberlins Kneipen zogen, fokussierte die 27-köpfige Onlineredaktion ihr Marketing auf jenes Medium, dessen Journalismus die Krautreporter in steiler These für kaputt erklärten. Dieses Urteil führte allerdings dazu, dass längst nicht jeder aus der Netzgemeinde bereitwillig die Brieftasche öffnete. Warum auch einem Projekt 60 Euro jährlich überlassen, dessen Gründer den netzaffinen Spendern erklärte, dass das Internet irgendwie gescheitert sei und nur die Krautreporter in der Lage wären, den auf dem Sterbebett liegenden Onlinejournalismus wiederauferstehen zu lassen.
Bis Mittwoch lagen die Retter mit den erreichten 9000 von 15 000 benötigten Abos selbst auf der Intensivstation, weshalb Kritiker wie der Journalist Christian Jakubetz bereits den Abgesang auf das Projekt Krautreporter probten. Wenn da am Donnerstag nicht zum zweiten Mal Augstein oder genauer die nach seinem Stiftvater Rudolf Augstein benannte Stiftung gewesen wäre, die dem Kollektiv nicht nur 1000 Abos versprach, sondern damit neue Kraft für den Endspurt schenkte.
Am Ende dürfte es den Krautreportern ebenso geholfen haben, dass sie vom hohen Olymp, auf den sie sich zu Anfang ihrer Kampagne selbst emporhoben, ihrer potenziellen Leserschaft wieder ein Stück entgegenkletterten. In der ersten Hälfte der Spendenkampagne weigerten sich die Initiatoren, ihren möglichen Geldgebern selbstverständliches wie einen detaillierten Plan geschweige Arbeitsproben der beteiligten Edelfedern zu präsentieren. Allein der Glaube an das Versprechen des 27-köpfigen Heilands sollte reichen, um die Gabe in den virtuellen Klingelbeutel zu rechtfertigen.
Ein an Hybris erinnernder Fehler, wie ihn die Krautreporter im Journalismus doch selbst bemängeln: zu wissen meinen, was für die Leser richtig sei, ohne mit diesen über Inhalte zu kommunizieren. Genau darin aber liegt das eigentliche Potenzial des Internets für den Journalismus. Mehr Austausch, mehr Debatte und nicht weniger davon.
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