Wie, das »nd« gibt’s noch?
Chefredaktion und Geschäftsleitung im Gespräch mit Lesern
»Das ›nd‹ ist kein Staatsorgan, sondern eine Zeitung«. Es ist diese Feststellung, die Chefredakteur Tom Strohschneider mehrfach, ja ausgiebig betonte, am Sonnabend während des Leserforums bei ndLive. Für eine Stunde angesetzt, diskutierten, stritten, lobten und kritisierten die anwesenden Leser den aktuellen Zustand von »neues deutschland« über ganze zwei Stunden hinweg. Und die Debatte hätte noch einige Zeit fortgesetzt werden können, betrachtet man so manch kreativen Verbesserungsvorschlag aus dem Publikum oder die wortgewandten Ausführungen des Chefredakteurs. Dennoch, der ein oder andere Schluss kann schon gezogen werden. Zum Beispiel der, dass es keinen Status quo gibt. Sowohl ideologisch als auch strukturell lebt »neues deutschland« von der Debatte mit sich selbst.
Es ist die Zeitung, die sich auch 25 Jahre nach Ende ihres Status’ als Parteiorgan intensiv mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen muss - der vielleicht kontroversesten aller ernstzunehmenden Tageszeitungen der Bundesrepublik. Mit dem Mauerfall verlor das Blatt seine Immunität gegenüber marktwirtschaftlicher Konkurrenz. Oder, wie Tom Strohschneider formulierte, seit 1989 befindet sich die Zeitung in einer Krise. Sie blieb immer links, und muss deshalb immer wieder Attacken über ihre parteipolitischen Präferenzen aushalten, ihr Profil eigentlich von Tag zu Tag neu ausrichten.
Ihre Hauptaufgabe liegt jetzt darin, den breiten Graben zu überbrücken, der zwischen den Stammlesern des gedruckten Blattes und (den potenziellen neuen) Lesern von Onlineangeboten klafft. Schafft sie es, eine Brücke zwischen beiden Lagern zu bauen, rettet sie sich selbst.
Es sind indes Leser mit Abonnements, die das »nd« finanzieren. Daraus machte man auf dem Leserforum kein großes Geheimnis. Die Verkaufszahlen sind rückläufig, die Einnahmen niedriger als die Ausgaben. Und der wachsende Altersdurchschnitt der Leserschaft ist ein grundlegendes, in allen Abteilungen des Blattes viel diskutiertes Problem. Wie gewinnt man neue Leser, ohne die solidarische Leserbasis zu vergraulen?
Vor dem Hintergrund dieser Frage war es interessant, dass Langzeitabonnenten unter den Anwesenden waren. »Sozialistische Tageszeitung? Diesem Titel werdet ihr nicht mehr gerecht!«, lautete die Kritik eines älteren Mannes. Er wünschte sich mehr Berichterstattung über die Politik der Linkspartei und kritisierte generell, dass Artikel nicht links genug seien. Geistesverwandt tadelte ein anwesender Kommunalpolitiker der Berliner LINKEN, das »nd« kümmere sich nicht um eine engere Zusammenarbeit. Mit fünf Millionen Wählern ist die Linkspartei dritte Kraft im Bundestag. Man male sich aus, jeder dieser Wähler würde ein »nd«-Abonnement besitzen.
Warum dem nicht so ist? Nach einigen Äußerungen und Erläuterungen könnte man annehmen, dass es die Linkspartei ist, die dem »nd« nicht zu nahe stehen will. Seinerseits wünscht man sich engere Zusammenarbeit mit den Linken, bekennt sich aber nicht blind zu deren Ansichten. Es wäre auch gefährlich, entgegen dem Trend erneut zum Parteiorgan zu verkommen. Lieber lobt man den ideologischen Pluralismus und die Unabhängigkeit, um konzeptionelle Freiheiten zu generieren. Das »nd« ist kein Organ, sondern eine Zeitung. Man will Berichterstattung anbieten, nicht Nachgeplappertes nachplappern. Parteilich ist man mit Ideen. Es weht ein frischer Wind. Und sozialistisch bleibt man trotzdem.
»Wie das, ›nd‹ gibt’s noch?« Diese Frage bekäme sie oft zuhören, sagte eine Leserin. Ja, das »nd« gibt es und wird es noch lange geben. Heute ist es eine Zeitung, die die Debatte innerhalb der Redaktion befürwortet. Die bemüht ist, ihre Leser in diese Debatte mit einzubeziehen. Die die Krise des linken Journalismus’ als Nährboden interpretiert, der beackert werden muss. Das Leserforum war Teil eines andauernden Prozesses. Denn direkte Kommunikation ist bisweilen das Beste, um alle Interessensgruppierungen - so unterschiedlich sie auch sein mögen - unter einen Hut zu bringen.
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