Prinzipiell falsches Prinzip

Christian Klemm über die Entmündigung von Asylbewerbern per Gesetz

Vor zwei Jahren hat das höchste deutsche Gericht entscheiden, dass die Leistungen für Asylbewerber gegen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstoßen. Sie lagen damals bei bis zu 47 Prozent unter dem ohnehin kargen Hartz-IV-Satz. Ein Schlag ins Gesicht für Flüchtlinge, die durch das Asylbewerberleistungsgesetz vorsätzlich in Armut gehalten wurden. Das Kalkül dahinter war sonnenklar: Schutzsuchenden sollte das Leben in Deutschland so unerträglich wie nur möglich gemacht werden und »Masseneinwanderung in die Sozialsysteme« so verhindert werden.

Die Gesetzesnovelle aus dem Arbeitsministerium wird die Situation von Asylbewerbern nicht grundlegend verbessern. Denn ein erblicher Teil der Hilfen wird den Flüchtlingen weiter in Form von Sachleistungen gewährt. Ein Hartz-IV-Betroffener, so elend seine persönliche Situation auch sein mag, kann mit seinen 391 Euro Stütze das kaufen, was er will. Niemand redet ihm rein. Ein Somalier, der dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland entkommen konnte, ist nicht so frei in seiner Entscheidung. Je nach Bundesland werden ihm Leistungen für Haushalt, Ernährung und Kleidung gestellt. Ob ihm das passt oder nicht. Durch das Sachleistungsprinzip werden Geflüchtete wie kleine Kinder behandelt, die nicht in der Lage sind, selbstständig zu entscheiden. Erwachsene Menschen werden regelrecht entmündigt.

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