Stubenarrest
Alexander Ludewig hat den schönsten Teil der WM schon erlebt
Drei Spiele hintereinander an einem Tag, einmal sogar vier. Ja, auch die Partie der Elfenbeinküste gegen Japan habe ich gesehen. Das Wachhalten bis fünf Uhr morgens hat sich gelohnt: Die erste Halbzeit zwischen den wuchtigen Westafrikanern und den zumindest technisch sowie taktisch überzeugenden Asiaten war eine der bisher besten des Turniers.
Ob in Cafés oder Bars, auf einer Couch in der Alten Försterei oder bei einem Sommerfest in der Uckermark: Bis zum vergangenen Wochenende habe ich alle Spiele gesehen, meist mit Freunden.
Seit Montag aber ist die schönste Zeit der WM vorbei: vier Tage Stubenarrest. Weil die jeweils letzten Gruppenspiele parallel laufen, schaue ich auch parallel. Auf meiner ganz privaten WM-Coach sitze ich vor dem Fernseher, nebenbei läuft das zweite Spiel online auf meinem Laptop. Der sitzt neben mir. Sonst niemand. Für mich ist das keine ungewöhnliche Situation. Sonst sehe ich oft und auch nicht ungern allein Fußball. Denn natürlich habe ich vollstes Verständnis dafür, dass man Besseres zu tun haben könnte, als an einem Montagabend Zweite Liga oder Sonntagnachmittags ein Drittligaspiel zu sehen.
Während der WM steht ein kleiner Pokal auf meinem Fernseher. Aber wenn ich die Spiele allein davor schaue, kommt eben doch keine weltmeisterliche Stimmung auf. Dabei ist diese für mich eine ganz besondere - eine Zeit voller Verständnis für meine Leidenschaft. Dafür, dass ich dies oder jenes, also jedes Spiel sehen will, muss ich nicht mein Totschlagargument (»berufsbedingt«) bemühen. Akzeptanz allerorten. Die WM hat eben einfach deutlich mehr Fans, als es Fußballanhänger gibt.
Kommenden Freitag ist spielfrei, erstmals seit zwei Wochen. In ein Loch werde ich nicht fallen, eher über den Berg der liegengebliebenen Sachen stolpern: die Küche, die Urlaubsplanung, die vorzubereitenden Hochzeiten von Freunden... Ich nehm es mir vor, aber alles werd ich nicht schaffen. Am Sonnabend beginnt die Finalrunde - dann gehts wieder raus.
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