Der Schrein des Hochbegabten

WM-PORTRÄT

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Im zweiten Stock eines Herrenbekleidungsgeschäftes an der Freien Straße in Basel gibt es eine Umkleidekabine für die Mitarbeiter. Der Spind eines ehemaligen Azubis wurde immer noch nicht ausgeräumt, obwohl der seit 2009 nicht mehr zur Arbeit erschienen ist, weil er seine Lehre für den Weg des Fußballprofis abbrach. Ein weißes Hemd, Pullover, Ordner, eine Packung Kaugummis, ein noch verschweißtes Französischbuch inklusive Quittung über den Kaufpreis von 30 Franken - alles liegt seit fünf Jahren im Schrank. Die Reliquienverehrung im Heiligenschrein gilt Xherdan Shaqiri (23), dem derzeit wohl begabtesten Schweizer Fußballspieler. Gegen Honduras schoss er die Eidgenossen mit seinen drei Toren im Alleingang ins Achtelfinale und sorgte damit für einen verschobenen Renteneintritt seines Nationaltrainers Ottmar Hitzfeld, der als erst zurücktreten will, wenn die Schweiz ausgeschieden ist.

Das könnte bereits am 1. Juli so weit sein, wenn die Schweizer im Achtelfinale gegen die Mannschaft des anderen kleinen Hochbegabten des Turniers antreten müssen: Lionel Messis Argentinien. Dem nur 1,69 Meter großen, im heutigen Kosovo geborenen, Shaqiri, dessen Familie in seiner frühen Kindheit ins Basler Land zog, gilt dabei auch die besondere Aufmerksamkeit seines Vereinstrainers: Pep Guardiola, der mit Messi den FC Barcelona zur zeitweise stärksten Klubmannschaft der Welt formte, ist jetzt der Übungsleiter des Hochbegabten Shaqiri beim FC Bayern München. Obwohl der Schweizer dort nicht oft spielt, nennt Guardiola ihn »ein Geschenk für diesen Verein«. Und bemerkt weiter: »In seinem Land ist er ein Gott.« Mit eigenem Schrein im Herrenmodefachgeschäft.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -