Vom Regen in die Kloake
In Dresden beginnt eine Konferenz zu Regenwasser und Abwassersystemen
Ob es Anfang Juli in Dresden regnet, ist noch unklar. Trotzdem lädt Sachsens Hauptstadt dann zu den 13. Regenwasser-Tagen - Vertreter von Behörden, Fachverbänden, Ingenieurbüros und Hochschulen diskutieren dann zwei Tage lang, wie und wo Regen versickert, wie er sich wirtschaftlich nutzen lässt und was zu tun ist, damit er keine Kanäle flutet. Mithin wird die Entlastung von Abwassersystemen einen Schwerpunkt der Konferenz bilden, etwa durch den Einsatz gesteuerter dezentraler Regenwasserspeicher.
Denn Handeln ist nötig. Das deutsche Abwasserkanalnetz ist nicht das jüngste und schon gar nicht das gesündeste. Gewöhnlich unterirdisch und damit unsichtbar verlaufend, riechen wir es eher, als dass wir es sehen - nämlich wenn daran etwas faul ist. Und faul ist mittlerweile so manches im Untergrund der deutschen Städte und Gemeinden. Hat doch laut Statistik der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) das Gros der Abwasserrohre hierzulande seine besten Zeiten hinter sich. Im Schnitt sind sie 41 Jahre alt, stehen damit kurz vor Halbzeit ihrer prognostizierten Lebensdauer. Im Klartext bedeutet das: 17 Prozent der öffentlichen Kanäle bedürfen mehr oder minder schnell der Sanierung, weitere 18 Prozent sind in einigen Jahren reparaturbedürftig. Denn schadhafte Anschlüsse oder Risse in den Kanalwänden signalisieren Handlungsbedarf.
Doch die Kosten, die damit auf Kommunen und Landkreise zukommen, sind immens. DWA-Experten ermittelten eine Summe von rund 8000 Euro, die der jährliche Unterhalt eines Kilometers Abwasserleitung kostet. Allein in Bayern, wo die Länge der öffentlichen Kanalisation insgesamt 95 400 Kilometer beträgt, ergibt das gut 763 Millionen Euro. Und allein die Tatsache, dass durch sie hindurch jährlich 1,76 Milliarden Kubikmeter Abwasser in die Kläranlagen fließen, verbietet jeden weiteren Aufschub dieses Problems. Andernfalls würde es nicht nur schnell sehr viel teurer, sondern auch bedenklicher für die Umwelt. Etwa wenn undichte Kloaken ins Erdreich träufeln und das Grundwasser verunreinigen.
Die ganze Dimension der Sanierungsaufgabe im deutschen Untergrund macht ein Zahlenvergleich deutlich: Während das nationale Autobahnnetz gerade einmal 12 800 Kilometer misst, summiert sich das faulige Netzwerk zwischen Flensburg und Kempten auf rund 540 750 Kilometer. Mithin sind mittlerweile gut 96 Prozent der deutschen Haushalte an das Netz angeschlossen. Doch während es damit noch immer wächst, entwickelt es sich zugleich entgegengesetzt der demografischen Tendenzen im Lande. Denn wo die Bevölkerungszahlen schrumpfen, wird weniger Wasser verbraucht. Dennoch bleiben zum einen die Fixkosten für den Unterhalt konstant, zum anderen leidet die Kanalsubstanz zusätzlich, wenn sie nicht mehr ausreichend durchspült wird und häufiger trockensteht.
So legten Kanalbau- und Abwasserexperten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften, die sich 2011 zu einer bundesweiten Aktionsgemeinschaft »Impulse pro Kanalbau« zusammengetan haben, einen Sieben-Punkte-Katalog vor, um den »zum Teil erheblichen Investitionsstau bei der Sanierung des öffentlichen Kanalnetzes und der privaten Grundstücksentwässerung zu beenden«. Hierzu gehören auch verstärkte Bürgerinformation, erhöhte Inspektionsraten und mehr Maßnahmen zur Qualitätssicherung.
Da dies nicht billig zu haben ist, denken die Kommunen längst darüber nach, wer das bezahlen soll. So stiegen etwa in Nordrhein-Westfalen dieses Jahr spürbar die Abwassergebühren. Und Stendal erwägt als erste Stadt in Sachsen-Anhalt ein Gebührenmodell für Wasser und Abwasser, das Häuslebauer am Stadtrand wegen längerer und teurer Wasserleitungen stärker zur Kasse bittet als Bewohner in der dichter bewohnten Altstadt. Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) will bis Herbst juristisch prüfen lassen, ob sich dies durchsetzen lässt.
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