Gleich oft nur laut Gesetz
Vor 50 Jahren trat in den Vereinigten Staaten der »Civil Rights Act« in Kraft
Das Gesetz, das vor 50 Jahren von USA-Präsident Lyndon B. Johnson unterzeichnet wurde, ist das bedeutendste und am weitesten reichende Bürgerrechtsgesetz in den Vereinigten Staaten. Es setzte einen rechtlichen Schlussstrich unter die Rassentrennung in öffentlichen Gebäuden und auf Plätzen, etwa in Bussen und Bahnen, in Restaurants, Kinos oder Geschäften. Darüber hinaus wurde die Diskriminierung am Arbeitsplatz auf der »Grundlage von Rasse, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder nationaler Herkunft« illegal. Das Wahlrecht durfte nicht behindert werden. Die bereits zuvor verbotene Rassentrennung an Schulen wurde rechtlich untermauert.
In die Wege geleitet hatte den »Civil Rights Act« drei Jahre zuvor Johnsons Vorgänger John F. Kennedy, der 1963 einem Attentat zum Opfer fiel. Über viele Monate hinweg war Kennedys Entwurf von Abgeordneten und Senatoren beider Parteien in den Südstaaten sabotiert, hinausgezögert und verwässert worden. Doch Johnson konnte es dann doch durchsetzen, und die erstarkende afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung konnte mit politischem Druck im Kongress und in der Gesellschaft in den folgenden Jahren weitere Erfolge verbuchen, die in Gesetze gegossen wurden. Sie bauten auf dem »Civil Rights Act« auf.
Zwar hatten nach dem amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 Verfassungsänderungen die Sklaverei abgeschafft; ehemaligen Sklaven wurde die Staatsbürgerschaft zuerkannt und ein gleiches Wahlrecht für alle formal eingeführt. Doch in vielen Bundesstaaten, vor allem im Süden des Landes, blieben die Afroamerikaner nicht nur wirtschaftlich und sozial eine »under class« ohne Aufstiegsmöglichkeiten. Sie wurden auch politisch und rechtlich unterdrückt. Das Wahlrecht war ihnen faktisch vorenthalten.
Die Rassentrennung bestand über »Jim Crow«-Gesetze weiter fort und wurde von weißen Rassisten wie dem KuKluxKlan gewaltsam jahrzehntelang ohne Widerstand der Bundesregierungen aufrechterhalten. Erst Ende der 1950er Jahre bewegte sich Washington ein wenig. Als Proteste von Afroamerikanern, etwa die brutal niedergeschlagenen Demonstrationen in Birmingham im Bundesstaat Alabama, über das Fernsehen ihren Weg in die Wohnzimmer fanden und auch international das Bild der USA als Inbegriff von »freedom and democracy« erschütterten, reagierte John F. Kennedy. Die USA seien »nicht ganz frei, solange nicht alle seine Bürger frei sind«, begründete er im Juni 1963 seinen weitreichenden Bürgerrechtsentwurf.
Der »Civil Rights Act« diente nicht nur den für Gleichheit kämpfenden Afroamerikanern als rechtliche Basis für tiefer greifende Forderungen zur Aufhebung von Diskriminierung. Mit der sich anschließenden aktiven Gleichstellungspolitik »affirmative action« konnten Frauen ihre Ungleichbehandlung bei Unternehmen und innerhalb der Gewerkschaften anfechten. Sogar der Frauensport, auch professioneller Art, erhielt massiven Aufschwung. Diskriminierende Wählergesetze ließen sich nun mit Hilfe des »Voting Rights Act« von 1965 ebenso bekämpfen wie die Ungleichbehandlung im neuen Miet- und Wohnrecht von 1968. Später erfolgte, erneut unter dem Druck von außerparlamentarischen Initiativen, der »Americans with Disabilities Act« für Behindertenrechte von 1990. Auch die erfolgreiche Homosexuellenbewegung von heute kann sich aus gutem Grund auf die Gesetzgebung von vor 50 Jahren berufen.
Gleichwohl wird die rechtliche Gleichstellung von Minderheiten seit Ende der 70er Jahre von einer erstarkenden konservativen Gegenbewegung auf allen Ebenen bekämpft. In zwei Dutzend Bundesstaaten haben die Rechten beispielsweise die Wählergesetzgebung inzwischen so verändern können, dass sie Afroamerikanern und Latinos den Urnengang erschwert. Es gibt immer mehr Schulen, oft unterfinanziert, die wieder nur von schwarzen Kindern besucht werden. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht besteht die Diskriminierung ungeachtet aller Reformgesetze seit 50 Jahren so oder so weiter. Die schwarze »under class« der Armen und Arbeitslosen ist noch immer unübersehbar - Wirtschaftsexperten sprechen von einer »ökonomischen Apartheid«. So sind die Arbeitslosen- und Armutsquoten noch immer doppelt so groß wie im USA-Durchschnitt. Und Afroamerikaner machen zwar nur rund 13 Prozent der Bevölkerung aus, aber 38 Prozent der Gefängnisinsassen.
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