Ermittlungsverfahren gegen Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy eingeleitet
Verdacht der der Korruption und der unerlaubten Einflussnahme / Regierung weist Vorwurf der Einflussnahme zurück
Paris. Paukenschlag im politischen Frankreich: Wegen Korruptionsverdachts hat die Justiz ein formelles Ermittlungsverfahren gegen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy eingeleitet. Gegen Sarkozy werde unter anderem wegen des Verdachts der Korruption und der unerlaubten Einflussnahme ermittelt, erklärte die Staatsanwaltschaft in der Nacht zu Mittwoch. Sarkozy war am Dienstag wegen des Vorwurfs der Bestechung eines Top-Juristen in Polizeigewahrsam genommen und verhört worden.
Es war das erste Mal, dass ein früherer Staatschef Frankreichs in Polizeigewahrsam landete. Nach gut 15 Stunden in Gewahrsam wurde Sarkozy in der Nacht den Richtern geführt. Er wurde in Nanterre bei Paris im Rahmen der Untersuchung einer Antikorruptionsstelle vernommen. Kurz vor Mitternacht kam er in Paris zu einer richterlichen Vernehmung an. Das Gericht konnte Sakozy kurz vor 02.00 wieder verlassen, berichtete AFP.
Die Ermittlungen kommen zu einem Zeitpunkt, da heftig über ein Comeback des konservativen Politikers spekuliert wurde. Die Rückkehr des 59-Jährigen in die Politik dürfte nun erschwert sein.
Die Justiz geht dem Verdacht nach, dass Sarkozy zusammen mit seinem bereits am Montag in Polizeigewahrsam genommenen Anwalt Thierry Herzog versucht haben könnte, sich illegal Informationen aus einem laufenden Gerichtsverfahren zu beschaffen. Im Gegenzug soll der Ex-Präsident versprochen haben, dem leitenden Staatsanwalt beim Kassationsgerichtshof, Gilbert Azibert, einen Posten in Monaco zu beschaffen.
Sowohl gegen Herzog als auch gegen Azibert wurden ebenfalls formelle Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie am Dienstagabend bekannt wurde. Herzog wird unter anderem Koruption und unerlaubte Einflussnahme vorgeworfen, Azibert Bestechlichkeit und unerlaubte Einflussnahme.
Auf die Vorgänge waren die Ermittler gestoßen, als sie im Zusammenhang mit einer anderen Affäre um Sarkozy sein Telefon abhören ließen. Ende Februar wurden dann Ermittlungen wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses eingeleitet. Das französische Strafrecht sieht für Bestechung bis zu zehn Jahre Haft und 150.000 Euro Geldstrafe sowie etwa den Entzug von bürgerlichen Rechten vor.
In dem Verfahren am Kassationsgerichtshof, das Sarkozy angeblich beeinflussen wollte, ging es um seine Terminplaner, die im Zuge von Ermittlungen zu einer weiteren Affäre beschlagnahmt worden waren. Sarkozy wollte die Kalender zurück, doch am Ende entschied der Kassationsgerichtshof im März, dass er darüber nicht befinden könne. Nun darf die französische Justiz die Terminplaner weiterhin auswerten, die Sarkozy auch in anderen Affären gefährlich werden könnten. So untersucht die Justiz den dubiosen staatlichen Schadenersatz in Millionenhöhe für Unternehmer Bernard Tapie, der Sarkozys Wahlkampf 2007 unterstützt hatte.
Sarkozy, dem Ambitionen auf eine Rückkehr in die Politik nachgesagt werden, war zuletzt in seiner eigenen Partei UMP schwer unter Druck geraten. Dabei ging es um die Finanzierung seines - verlorenen - Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2012. Sarkozy soll das gesetzlich vorgegebene Limit dafür um Millionen Euro überschritten und dies verdeckt über die Partei finanziert haben.
Die Affäre kostete Parteichef Jean-François Copé Ende Mai den Posten. Nun soll im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Sarkozy antritt. Die führenden UMP-Politiker wollten am Dienstag keine Stellungnahme zur Verteidigung Sarkozys abgeben.
Im Zusammenhang mit dem Vorwurf illegaler Wahlkampffinanzierung war bereits einmal ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Politiker eingeleitet worden. Sarkozy wurde vorgeworfen, der L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt illegale Spenden aus der Tasche gezogen zu haben. Im Oktober 2013 ließen die Untersuchungsrichter jedoch die Vorwürfe gegen Sarkozy fallen, der einem Prozess entging.
Regierung weist Vorwurf der Einflussnahme im Fall Sarkozy zurück
Angesichts des Ermittlungsverfahrens wegen Bestechungsverdachts gegen Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat die sozialistische Regierung den Vorwurf zurückgewiesen, dass sie die Justiz zu einem Vorgehen gegen den Konservativen anstachle. »Nicht die Regierung fordert diese Richter auf, Untersuchungen zu führen, sie handeln und üben ihre Funktion unabhängig aus«, hob Premierminister Manuel Valls am Mittwoch in den Sendern BFM TV und RMC hervor. Sarkozy sei wie jeder andere der Gerichtsbarkeit unterworfen.
Valls nannte die Vorwürfe gegen Sarkozy »schwerwiegend«. Ein Ex-Präsident, dessen Anwalt und hochrangige Staatsanwälte seien betroffen. Zugleich betonte er: »Das Wichtigste ist, dass die Justiz in völliger Unabhängigkeit und ruhig arbeiten kann und dass die Unschuldsvermutung respektiert wird.« Valls mahnte, dass nicht »jedes Mal, in jeder Affäre« die Unabhängigkeit der Justiz in Zweifel gezogen werden dürfe. Dies würde sonst »die Fundamente des Rechtsstaates untergraben«.
Aus der konservativen Oppositionspartei UMP von Sarkozy war nach der Einleitung des formellen Ermittlungsverfahrens erneut der Vorwurf einer politischen Aktion gegen den Ex-Präsidenten erhoben worden, der womöglich schon im Herbst wieder aktiv in die Politik zurückkehren will. Ex-Minister Bruno Le Maire sprach am Mittwoch von einer »Justizaffäre«, die zu einer »Staatsaffäre werden könnte«. Zwar müssten die Entscheidungen der Justiz respektiert werden. Doch sei unklar, wann und ob die sozialistische Regierung über die Überwachung von Sarkozys Telefon informiert war. Dies stehe »im Zentrum der Affäre«. Agenturen/nd
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