Vier lange Monate bis zum Erstgespräch

In Sachsen-Anhalt sind die Aussichten auf einen baldigen Therapietermin beim Psychotherapeuten besonders schlecht

  • Lesedauer: 2 Min.
Wer Hilfe bei einem Psychotherapeuten sucht, landet in Sachsen-Anhalt oft auf einer Warteliste. Nun sollen mehr Experten zugelassen werden, um Abhilfe zu schaffen.

Magdeburg. In Sachsen-Anhalt warten seelisch kranke Menschen im Schnitt länger als vier Monate auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. Bis ein Therapieplatz frei wird, kann es bis zu sieben Monate dauern, wie die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer mitteilte. Im Schnitt warten Betroffene in Deutschland nach Angaben der Bundeskammer drei Monate auf ein Erstgespräch. Veränderung soll eine bundesweite Reform bringen: Weil die Zahl psychisch kranker Menschen in Deutschland steigt, dürfen sich seit Mitte vergangenen Jahres auch in Sachsen-Anhalt weit mehr Psychotherapeuten niederlassen als in der Vergangenheit.

373 Psychotherapeuten und ärztliche Psychotherapeuten sind derzeit in Sachsen-Anhalt zugelassen. In ganz Ostdeutschland seien nun weitere 237,5 zusätzliche Praxissitze ausgeschrieben, teilte die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer mit. Die Stellen könnten gut besetzt werden. »Anders als bei Fach- und Hausärzten herrscht unter Psychotherapeuten kein Nachwuchsmangel«, sagte die Sprecherin der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer, Angelika Wendt.

»Die neuen Praxisplätze sind ein guter Schritt, aber auf einem sehr langen und beschwerlichen Weg«, sagte der Sprecher der Bundeskammer der Psychotherapeuten (BPtK), Kay Funke-Kaiser. 68,4 Prozent der Psychotherapeuten in Sachsen-Anhalt führen laut BPtK eine Warteliste auf einen Therapieplatz. Damit sei das Bundesland einsame Spitze in Deutschland, noch vor Schleswig-Holstein (63,5 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (62,4 Prozent). Diese Zahl bedeute, dass bei zwei Dritteln der Praxen kranke Menschen im Land vorerst einmal abgewiesen würden. In Berlin sei dies gerade einmal bei einem Drittel der Praxen der Fall.

Besonders drastisch ist die Situation im Raum Wittenberg. Mit 4,4 Psychotherapeuten auf 100 000 Einwohner ist es der therapeutisch am schlechtesten versorgte Raum in Sachsen-Anhalt, wie die Sprecherin der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer mitteilte. Betroffene warten dort durchschnittlich 20,8 Wochen auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. »Diese Zahl ist abenteuerlich hoch. Das ist eine Katastrophe«, sagte Funke-Kaiser.

Psychische Erkrankungen nehmen nach Expertenangaben seit Jahren in Deutschland zu. Therapieplätze sind heiß begehrt: Möglicherweise auch, weil sich mehr Menschen trauen, professionelle Hilfe zu holen. Einer Bertelsmann-Studie vom März dieses Jahres zufolge erkrankt jeder fünfte Deutsche in seinem Leben mindestens einmal an einer Depression. 18 Prozent der schwer Erkrankten erhalten demnach aber keine Behandlung. »Viele Patienten bekommen nicht rechtzeitig oder gar keinen Therapieplatz«, so Funke-Kaiser. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.