Messe für Meinungen

Robert D. Meyer über die Vielfalt der Proteste vor dem Bundesrat

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn drinnen im Bundesrat die 16 Landesfürsten über Gesetze beraten, dann wird es draußen auf dem schmalen Gehweg entlang der Leipziger Straße schnell eng. Polizeikarawanen parken die Sicht des vorbeifahrenden Personenverkehrs zu. Damit sorgen die Beamten als Teil der Exekutive dafür, dass die vorbeirollende Öffentlichkeit möglichst wenig von den Protesten vor dem meterhohen Zaun der Legislative mitbekommt - der wütende Souverän soll schließlich nicht mehr als nötig sichtbar sein. Dessen berechtigte Interessen sind wiederum so vielfältig, dass er sich mit seinem Protest manchmal gegenseitig auf die Füße tritt.

Am gestrigen Freitag hatten sich gleich drei Interessensgruppen angekündigt. Szenen wie auf einer Messe. Statt neuer Waren gibt es Meinungen und politische Forderungen. Die Eisenbahner demonstrierten in knallig orangefarbenen Warnwesten an der selben Stelle für den Ausbau des Schienennetzes, wo Minuten zuvor noch Umweltverbände mit einer überdimensionierten Plastikspritze gegen Fracking mobilisierten. Direkt daneben steht eine Gruppe Flüchtlingsaktivsten.

Statt einer ausgefeilten medienkompatiblen Inszenierung schöner Bilder für die Abendnachrichten haben sie schlicht Maria dabei. Die junge Mutter berichtete, wie sie und andere Roma-Familien am 24. Juni von der Polizei aus der Gerhart-Hauptmann Schule geholt und dann zunächst irgendwo an den Stadtrand abgeschoben wurden. Kommt die Gesetzesverschärfung, droht vielen Roma die Ausweisung in eine ungewisse Zukunft. Schicksale, die viel zu selten breites Gehör finden. Dafür ist es auf dem Bürgersteig vor dem Bundesrat viel zu grell und laut.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.