Dreht euch nicht um, die Bundeswehr geht um

Kein Kinderspiel: Bundeswehr unterschrieb mit Thüringer Bildungsstiftung Kooperationsvertrag

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr hält nach Rekruten Ausschau. Die Besten müssten zu Truppe, meint Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sucht man deshalb schon in Thüringer Kindergärten?

»Der Kommandeur Landeskommando Thüringen, Oberst Norbert Reinelt, und Eckhard Basler, Vorsitzender der Stiftung ›Bildung für Thüringen‹, haben am heutigen Donnerstag, 10. Juli 2014 eine Kooperationsvereinbarung zur frühkindlichen Erziehung in sicherheitspolitischen Fragen unterzeichnet.« So liest man es in einer von der Bundeswehr herausgegeben Pressemitteilung. Das Wort »frühkindlich« steht mehrfach darin. Und damit ist gemäß pädagogischen Grundsätzen die Zeit zwischen Geburt und Schuleintritt gemeint.

Nach der »nd«-Anfrage beim Territorialkommando am Freitagvormittag erschien kurz darauf eine bereinigte Nachricht auf der Website. Darin ist von der »Erziehung von Jugendlichen« allgemein die Rede. Am Nachmittag dann auch Aufregung beim Kooperationspartner: Es ginge der Stiftung »Bildung in Thüringen« nicht um die frühkindliche Bildung, sondern um die politische der Jugend. Das Militär habe »gepatzt«.

Denkbar wäre dessen »frühkindliches« Engagement dennoch, denn: »Schon in den ersten Lebensjahren werden bei Kindern die Grundlagen für späteres erfolgreiches Lernen und damit für gute Entwicklungs-, Teilhabe- und Aufstiegschancen gelegt«, schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wie nachhaltig so etwas wirkt, merkt man, wenn gelernte DDR-Bürger im reifen Erwachsenenalter Lieder wie »Mein Bruder ist Soldat« oder »Wenn ich Soldaten singen höre« trällern können.

Doch halten wir fest: Wenn die Bundeswehr über Kindergärten redet, dann meint sie jene, in denen Soldatinnen und Soldaten ihre Sprösslinge beaufsichtigen lassen können. Und da es nur wenige eigene in Kasernen gibt, hat man sogenannte Belegplätze in kommunalen Kitas erworben. Beim Dienstsitz des Ministeriums in Berlin sind es 13, in Erfurt sogar 20.

Die dort »patzende« Bundeswehr versucht zu beruhigen. »Richtig los« gehe es ohnehin erst in der Altersstufe ab 14 Jahre. In Gesprächen würden Jugendoffiziere den Kindern erklären, »was so abgeht in der Welt«.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte bereits im Januar erste Vorstellungen zur Attraktivitätssteigerung des Militärdienstes entwickelt. Inzwischen läuft die Charmeoffensive »Bundeswehr in Führung - Aktiv. Attraktiv. Anders«. Von der Leyen fordert, die Bundeswehr müsse sich wie jeder andere Arbeitgeber vor Ort aktiv in das gesellschaftliche Leben einbringen. Genau das versucht man auch in und um Erfurt. Dabei kann sich die Truppe auf die gemeinnützige Stiftung »Bildung in Thüringen« verlassen. Hinter ihr steht die Thüringer Wirtschaft. Derartige Offensiven an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie auf jugendrelevanten Messen und Events nehmen bundesweit zu. Laut letztem Bericht der Jugendoffiziere erreichten die Werber 2012 in Schulen, bei Truppenbesuchen und weiteren Anlässen 140 000 Schülerinnen und Schüler. Das sind - trotz sinkender Schülerzahlen - rund 10 000 mehr als im Jahr davor. Die Karriereberater sprachen mit 254 000 Schülerinnen und Schülern. Im vergangenen Jahr gab die Bundeswehr für Personalwerbung 20 680 Millionen Euro aus.

»Dreht euch nicht um, die Bundeswehr geht um ...« Im Nordosten gibt es seit 2010 eine Kooperationsvereinbarung mit der Landesregierung. Fast zweihundert Einsätze an Schulen verzeichneten die Jugendoffiziere 2013 in Mecklenburg-Vorpommern. Man bucht Soldaten für Vorträge, die Bundeswehr unterstützt Schulen bei Projekttagen, veranstaltet sicherheitspolitische Seminare in Polen, Brüssel oder Berlin. Truppenbesuche beim Fliegerhorst Laage oder im Marinestützpunkt Hohe Düne sind eine willkommene Abwechslung vom Schulalltag. Während die Schweriner Linksfraktion derartige Aktivitäten kritisch sieht, kommt Schützenhilfe von der CDU. Der bildungspolitische Sprecher im Landtag, Marc Reinhardt, meint, die Kritik zeige nur, dass die Linkspartei bis heute ein gestörtes Verhältnis zur Bundeswehr hat. Markig setzt er mit Hinweis auf die DDR und den von der NVA unterstützen Wehrkundeunterricht nach: »Indoktrination von Schülern durch Soldaten gehört seit 25 Jahren der Vergangenheit an.«

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