Hollande setzt sich in Szene
Frankreichs Präsident ist überall - an Gendenkorten, auf der Parade und der Tour
Der französische Nationalfeiertag am heutigen Montag, der an den Beginn der Revolution mit dem Sturm der Bastille am 14. Juli 1789 erinnert, wird traditionsgemäß mit einer Militärparade auf den Pariser Champs Elysées begangen. Das ist kein Ausdruck unzeitgemäßer Großmachtambitionen, wie vor allem ausländische Kritiker meinen, sondern soll die Treue und Unterordnung der Armee unter die Republik der Bürger demonstrieren.
Präsident Hollande nimmt die Parade ab und gibt danach traditionell den beiden größten Sendern des öffentlich-rechtlichen und des privaten Fernsehens ein Interview. Dabei wolle er Reformen zur Verbesserung der Lebenslage eines Großteils der Bevölkerung ankündigen, ließ der Elysée wissen. So will Hollande ganz offensichtlich der sich seit einigen Wochen abzeichnenden Wende in seiner in Rekordtiefen abgesackten Popularitätskurve einen hilfreichen Schub verleihen.
Einen Beitrag dazu leistete der Präsident bei den Gedenkzeremonien zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie Anfang Juni. Er empfing Staats- und Regierungschefs aus rund 20 Ländern und verstand es, diese Begegnungen nicht zuletzt zum Aushandeln von Kompromissen zwischen Russland und der Ukraine sowie den USA und den Staaten der EU zu nutzen. Eine Demonstration staatsmännischen Könnens.
Der gute Eindruck soll verstärkt werden. Die demonstrative Erinnerung an große historische Ereignisse, über deren Bedeutung sich praktisch alle Franzosen einig sind, gehört zur Strategie der Imageberater, das Ansehen des Chefs des Élysée-Palastes aufzubessern. Dessen Popularitätswerte stürzten vor allem wegen seiner von vielen als unsozial und unternehmerfreundlich eingeschätzten Politik von anfangs 64 auf heute 24 Prozent.
Da passt das Jahr 2014 ausgezeichnet, denn es ist reich an großen Jahrestagen. Kritiker wie der Historiker Jean-Pierre Le Goff geben zu bedenken, dass Politiker »dazu neigen, in die Vergangenheit zu tauchen und sie zu idealisieren, wenn die Zukunft ungewiss ist«. So wurde vor zwei Wochen ausführlich über die Teilnahme François Hollandes an der Seite von Staats- und Regierungschefs aus Europa an den Gedenkzeremonien in der westbelgischen Stadt Ypern berichtet. Im Ersten Weltkrieg war hier erstmals Gas eingesetzt worden, was viele Tausend Menschenleben forderte.
Zweimal in diesem Jahr war der Präsident schon zu Gedenkzeremonien im Fort auf dem Mont Valérien bei Paris. Hier waren im Zweiten Weltkrieg französische Widerstandskämpfer und Geiseln von den faschistischen Besatzern erschossen worden. In Tulle, wo Hollande lange Jahre Bürgermeister war, nahm er am 9. Juni am Gedenken an die 99 Geiseln teil, die vor 70 Jahren von SS-Soldaten als Vergeltung für Angriffe der Résistance auf Truppentransporte an Laternemasten aufgehängt wurden.
Im nahen Oradour-sur-Glane hatte François Hollande bereits im September 2013 zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck der 642 Menschen gedacht, die hier am 10. Juni 1944 von SS-Soldaten erschossen oder bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Das war als demonstrative Geste gedacht, vergleichbar mit der im September 1984 in Verdun. Damals griff sein großes Vorbild Präsident François Mitterrand nach der Hand von Bundeskanzler Helmut Kohl und verlieh einer Versöhnung nach drei verheerenden Kriegen zwischen beiden Völkern Ausdruck. Als Hollande in Nordfrankreich an zwei Denkmälern für die Opfer von Schlachten des Ersten Weltkrieges Kränze niederlegte, versäumte er im Gespräch mit Bürgern nicht den Hinweis, dass sein Großvater hier Soldat gewesen sei.
Zwischen den Zeremonien verstrich eine weitere Gelegenheit nicht ungenutzt. Die Tour de France kam in der Nähe vorbei - damit auch der Präsident. Er fuhr ein paar Kilometer im Auto des Direktors des Radrennens mit und winkte verblüfften Zuschauern am Straßenrand zu.
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