Flug MH017: Erste Opfer werden in die Niederlande transportiert
»Restlose Aufklärung« soll durch Experten der Niederlande geschehen/ EU-Außenminister: Ruf nach Sanktionen gegen Russland werden lauter
Den Haag. Die ersten Opfer der Flugzeugkatastrophe in der Ostukraine sollen bereits an diesem Mittwoch in den Niederlanden eintreffen. Das kündigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Dienstag in Den Haag an. Ein Hercules-Transportflugzeug steht bereits am Flughafen von Charkow in der Ukraine, wo der Zug mit den Leichen angekommen war. Nach einer ersten Untersuchung dort sollen alle Opfer in Phasen nach Eindhoven unweit der deutschen Grenze ausgeflogen und dann in den Niederlanden identifiziert werden.
Die Niederlande haben inzwischen auch die Leitung der internationalen Untersuchung zur Absturzursache von Flug MH17 übernommen. Dies sei auf Ersuchen der ukrainischen Regierung geschehen, teilte Rutte mit. Niederländische Experten sollten nun so schnell wie möglich die Absturzstelle untersuchen. Ziel sei die »restlose Aufklärung«, sagte Rutte.
Priorität habe zunächst, die noch nicht gefundenen Leichen und das persönliche Eigentum der Opfer zu bergen. Wie viele der 298 Opfer bisher nach Charkow gebracht wurden, sei unklar. Nach unbestätigten Berichten waren die Überreste von 282 Opfern in dem Zug, der am Dienstag aus dem Katastrophengebiet in Charkow eingetroffen war.
Um die Identifizierung der Opfer zu beschleunigen, hatten sich die Niederlande für einen Transport in Phasen entscheiden. »Wir wollen das so gut wie möglich und so schnell wie möglich machen«, sagte Rutte. Wie lange die Identifizierung dauern wird, ist unklar. »Manchmal geht das schnell, aber es kann auch Wochen oder sogar Monate dauern«, sagte der Premier.
Die Leichen werden in eine Kaserne in Hollandsche Rading unweit von Amsterdam gebracht. Zwischen Charkow und Eindhoven wird nach Angaben des Verteidigungsministeriums eine Luftbrücke für die »Operation Bring them Home« eingerichtet. Eingesetzt würden C-130 Hercules-Frachtflugzeuge der niederländischen Armee sowie eine australische Boeing C-17. Die Transportmaschine war bereits am Dienstagmorgen in Eindhoven gelandet.
Bei dem Absturz über der Ostukraine am vergangenen Donnerstag waren 193 Niederländer und 27 Australier getötet worden.
Eu-Außenminister beraten über Sanktionen gegen Russland
Als Reaktion auf den möglichen Abschuss des Passagierfluges MH17 in der Ostukraine will die EU nach Angaben von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz Maßnahmen gegen Russland beim Handel mit Militärgütern vorbereiten. »Die EU-Kommission wird beauftragt, zielgerichtete Maßnahmen vorzubereiten in den Bereichen Schlüsseltechnologien und Militär«, sagte Kurz am Dienstag am Rande eines Treffens der EU-Außenminister. Diese sollten »in den kommenden Tagen« vorliegen. Dabei handele es sich aber noch nicht um Wirtschaftssanktionen.
Die Außenminister der 28 EU-Staaten beraten am Dienstag unter anderem über schärfere Sanktionen gegen Russland nach dem Absturz eines malaysischen Passagierflugzeugs in der Ostukraine. Nach Angaben von Diplomaten ist jedoch ungewiss, ob es bei dem Treffen in Brüssel schon konkrete Beschlüsse darüber geben wird, welche russischen Firmen auf eine schwarze Liste der EU gesetzt werden.
Die Minister wollen auch grundsätzlich über die Beziehungen zwischen der EU und Russland sprechen. Sie werden die Forderung nach einer unabhängigen und internationalen Untersuchung des Absturzes des Flugzeugs bekräftigen. Zugleich wollen die Minister Russland erneut auffordern, die Unterstützung der Separatisten in der Ukraine zu beenden und Waffenlieferungen an diese zu verhindern.
UN-Sicherheit fordert eine unabhängige Untersuchung
Am Montag hatte der UN-Sicherheitsrat per Resolution eine unabhängige Untersuchung des mutmaßlichen Abschusses einer Passagiermaschine über der Ostukraine gefordert. Alle 15 Mitglieder des Gremiums stimmten dem Papier bei einer kurzfristig einberufenen Sitzung am Montag in New York zu. Dem ursprünglich von Australien eingebrachten Entwurf hatten sich schon vor der Abstimmung zahlreiche weitere Länder angeschlossen. Russland hatte zunächst einen eigenen Resolutionsentwurf eingebracht, dann aber einer gemeinsam überarbeiteten Version des australischen Entwurfs zugestimmt.
Die Resolution fordert eine »umfassende, tiefgreifende und unabhängige Untersuchung« des Absturzes von Flug MH17 mit fast 300 Menschen an Bord über dem Osten der Ukraine, bei der die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO eine »zentrale Rolle« spielen soll. Zudem fordert sie sofortigen ungehinderten Zugang für die Experten zur Unglücksstelle. Im Fall der Nichtbefolgung droht die Resolution allerdings keine Konsequenzen an. Sie verurteilt den mutmaßlichen Abschuss des Flugzeugs und spricht den Angehörigen der Opfer Beileid aus.
Separatisten übergeben Flugschreiber
In der Nacht zum Dienstag wurden die Flugschreiber von pro-russischen Separatisten an eine malaysische Delegation übergeben. Dies berichtete der Korrespondent des US-Nachrichtensenders CNN in der Nacht zum Dienstag.
Malaysias Ministerpräsident Najib Razak hatte am Montag angekündigt, er habe eine entsprechende Übereinkunft mit dem ostukrainischen Separatistenführer Alexander Borodaj erreicht. Eine Delegation von zwölf Experten aus Malaysia hatte nach Angaben der russischen Agentur Interfax den Tag über in Donezk mit den Separatisten verhandelt.
Borodaj sagte bei der Übergabe der Black Boxes am frühen Dienstagmorgen, sie »werden die Wahrheit enthüllen«. Er bestritt Anschuldigungen, nach denen die Separatisten das Flugzeug abgeschossen hätten. »Wir haben nicht die technische Fähigkeit, dieses Flugzeug zu zerstören«, sagte Borodaj.
Nach malaysischen Angaben scheinen Flugschreiber in gutem Zustand zu sein. Malaysia werde Black Boxes zunächst aufbewahren und dann an die zuständigen Untersuchungsstellen übergeben, sagte Oberst Mohamed Shukri, der die Beweisstücke in der Ukraine in Empfang genommen hatte.
Russland fordert Aufklärung über ein ukrainisches Kampfjet
Wenige Stunden vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York präsentierte der russische Generalstab am Montag in Moskau Satellitenaufnahmen und Karten mit Flugbahnzeichnungen vom Absturztag. Das Militär forderte die Ukraine auf, Auskunft über einen Kampfjet zu geben, der sich der Unglücksmaschine genähert haben soll. Kiew müsse auch die Gründe für die Stationierung des Flugabwehrsystems »Buk« im Separatistengebiet erklären, da die Aufständischen nicht über Flugzeuge verfügten. Die Separatisten lenkten nach heftiger Kritik am Umgang mit Absturzopfern allmählich ein und erleichterten die Arbeit der Experten damit.
Nach Angaben des russischen Militärs näherte sich ein Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 der Malaysia-Airlines-Boeing am Donnerstag bis auf fünf Kilometer. So ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, die auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könnten, sagte Generalleutnant Andrej Kartopolow vom russischen Generalstab. Er rief die Amerikaner auf, eigenes Kartenmaterial vom Absturztag zu veröffentlichen.
Die USA verdächtigen die Separatisten, die Zivilmaschine mit 298 Menschen an Bord mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben. Zuvor hatte die Ukraine behauptet, umfassende Beweise - darunter Satellitenaufnahmen - dafür zu haben, dass die prorussischen Kräfte mit einem »Buk«-System auf die Boeing 777-200 geschossen hätten.
Beobachter befürchten, dass wegen der tagelangen Behinderungen durch die Separatisten und Eingriffen in das Trümmerfeld eine exakte Ermittlung der Absturzursache kaum mehr möglich ist. Angehörige klagen über mangelnden Respekt vor den Toten.
Die moskautreuen Kräfte kämpfen für die Abspaltung von der Ukraine. Die russisch geprägte Region Donbass erkennt die proeuropäische Führung in Kiew nicht an. Bei den Kämpfen starben bislang Hunderte Menschen. agenturen/nd
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