Sichere Orte werden rar in Gaza
UNO-Einrichtungen geraten im Konflikt zunehmend zwischen die Fronten
Wie viele Menschen mögen es wohl sein? Mehr als 118 300 Palästinenser hätten bis Mittwochnachmittag in Einrichtungen des UN-Flüchtlingshilfwerkes UNRWA im Gaza-Streifen Schutz gesucht, sagen Mitarbeiter der Organisation und fügen hinzu, dass die genaue Zahl kaum zu benennen sei. Denn es sind vor allem Schulen, die nun zu Flüchtlingslagern werden, und die Situation dort ist unübersichtlich.
Die Menschen drängen sich dicht an dicht. Und sind doch froh, dass sie hier, inmitten der Kämpfe zwischen Israels Militär und den Essedin-al-Kassam-Brigaden, an Orten sind, die vom Krieg verschont bleiben. Denn die Einrichtungen der UNRWA sind neutral; es gibt eine stillschweigende Übereinkunft zwischen beiden Seiten, dass alles, was mit Krieg zu tun hat, bei UNRWA draußen bleiben muss.
Doch die Zufluchtsorte sind in Gefahr, von der Welle der Gewalt mitgerissen zu werden. Zweimal wurden in den nur schwer dauerhaft zu überwachenden UNRWA-Einrichtungen Raketen gefunden; zweimal hat die Organisation die Waffen an Sicherheitskräfte der palästinensischen Autonomiebehörde übergeben. Und damit den Zorn der israelischen Regierung auf sich gezogen: Die UNRWA unterstütze so die Hamas; die Raketen sollten an Israels Militär übergeben werden. Eine schwierige Situation für die Organisation: Sie ist zum einen darauf angewiesen, dass Israels Militär die Einrichtungen verschont, kann aber nicht mit Israels Militär kooperieren, weil sie sonst zum Ziel palästinensischer Kampfgruppen werden könnte. Und so hat man nach eigener Aussage die örtliche Polizei der Einheitsregierung in Ramallah angerufen, damit die die Raketen entschärft und abholt. Was tatsächlich mit den Waffen passiert ist, weiß niemand. Die palästinensische Polizei hat in Gaza so gut wie nichts mehr zu sagen; die Kassam-Brigaden haben die Macht.
Israels Regierung wirft der UNRWA deshalb vor, die Einrichtungen würden damit nicht nur zum sicheren Hafen für Menschen, sondern auch für Waffen. Aber: Viele Möglichkeiten hat man nicht - die Aufforderungen an die Menschen, ihre Häuser zu verlassen, die in den vergangenen Wochen vor Kampfhandlungen stets an die Bevölkerung gerichtet wurden, geschahen auch im Vertrauen auf die UNO als Zufluchtsstätte.
Zum Politikum ist auch die Einstellung eines Großteils der Flüge nach Tel Aviv geworden. Am Dienstag hatte zunächst die US-Luftfahrtbehörde FAA US-Gesellschaften das Anfliegen des Flughafens verboten, nachdem fünf Kilometer davon entfernt eine Rakete eingeschlagen war. Viele europäische Fluggesellschaften stellten daraufhin ebenfalls ihre Flüge ein.
Die Hamas wertet dies nun als Sieg für sich selbst. Schon vor Wochen hatte man ausländische Gesellschaften, damals erfolglos, aufgefordert, die Flüge einzustellen. Doch nicht nur deshalb bemüht sich Israels Regierung massiv, die Entscheidungen zu revidieren. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf zweistellige Millionenbeträge, in Euro, am Tag. Doch die US-Regierung hat keinen Einfluss auf FAA-Entscheidungen - und setzte deshalb ein Signal dagegen, als Außenminister John Kerrys Flugzeug am Mittwoch öffentlichkeitswirksam in Tel Aviv landete. Er wollte sich bei seinem Besuch erneut um einen Waffenstillstand bemühen. Angesichts der mittlerweile gut 700 Todesopfer, darunter 28 israelische Soldaten und mindestens drei Zivilisten in Israel, wird die US-Regierung, die in der Vergangenheit immer wieder Israels Recht, gegen den Raketenbeschuss vorzugehen, betont hatte, ungeduldiger. Es gebe Anzeichen für Fortschritte, sagte Kerry. Zuvor hatte sich der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hinter die Waffenstillstandsforderungen der Hamas gestellt. Doch in Israel fordert man weiterhin die dauerhafte Entwaffnung der Kampfgruppen im Gaza-Streifen.
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