Versöhnung auf dem Todesberg

Mit einem Mahnmal wollen Franzosen und Deutsche gemeinsam an die Gefallenen im Ersten Weltkrieg erinnern

  • Dirk Farke
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Sonntag, genau 100 Jahre nach der deutschen Kriegserklärung an Frankreich, wird auf einem der erbittert umkämpften Schauplätze des Ersten Weltkriegs ein Mahnmal begründet - in den Vogesen.

Es wird ein Termin mit großer Besetzung. Am Sonntag werden Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundespräsident Joachim Gauck den Grundstein für ein gemeinsames Mahnmal beider Länder legen. Ort des Geschehens ist der 956 Meter hoch gelegene Hartmannsweilerkopf in den Südvogesen. Mit dem Mahnmal wollen Franzosen und Deutsche gemeinsam an die Gefallenen im Ersten Weltkrieg erinnern.

Es ist eine faszinierende Landschaft hier oben zwischen Col de la Schlucht, Grand Ballon und Vieil Armand, der auf Deutsch Hartmannsweilerkopf heißt. Sie bezieht ihren Charme aus der Einsamkeit der Wälder, der dunklen Seen und den Ferme-Auberge, das sind Bauernhöfe, in denen der Hofherr gleichzeitig auch Gastwirt ist und die sich links und rechts des Vogesenkamms finden. Mit Gugelhupf Münsterkäse und einem trockenen Riesling können Wanderer sich hier für die nächsten Anstiege stärken. Wenn im Abstand von ein paar Jahren, zuletzt vor drei Wochen, hier die Tour de France vorbeizischt, ist die Hölle los. Am nächsten Tag sind Ruhe und Beschaulichkeit wieder hergestellt. Und genau an dieser Stelle befindet sich einer der absurdesten Schauplätze des Ersten Weltkriegs.

Bis zu 30 000 französische und deutsche Soldaten starben auf diesem Nebenkriegsschauplatz. Vier Jahre lang lagen sich die beiden Kriegsparteien in den Schützengräben gegenüber, die oft nur ein paar Meter von einander entfernt waren - die Soldaten mussten flüstern, um sich nicht gegenseitig zu verraten. Hier erschossen, erstachen und erschlugen sie einander, wenn sich die Gelegenheit bot. Knietief standen die Soldaten im Schützengrabensumpf aus Wasser, Urin, Kot, Munitionsresten und verwesenden Leichenteilen. Wen die Waffe des Gegners verschonte, rafften Ruhr, Cholera und Typhus dahin. Montagne de la mort (Todesberg) oder Mangeur d’hommes (Menschenfresser) nennen die Elsässer ihren »Hartmannswillerkopf« noch heute.

»Diese Erhebung hätte große Bedeutung haben können«, weiß der emeritierte Freiburger Historiker Gerd Krumeich. »Wenn sich der Krieg nicht verlagert hätte.« Zunächst griffen die Franzosen offensiv in Lothringen und dem Elsass an, beide Landesteile waren 1871 vom Deutschen Reich annektiert worden. Die Deutschen aber marschierten völkerrechtswidrig durch das damals neutrale Belgien und wollten Frankreich über Paris einnehmen. Man hatte vom Hartmannsweilerkopf einen Blick hinunter ins Rheintal, auf die Eisenbahnlinie Colmar - Mulhouse, auf ein paar Kilometer »ruhige Front«, wie das Elsass damals von den Deutschen genannt wurde. »Als sich der Krieg nach Westen bewegte, an die Marne, ans Meer, wurde hier trotzdem weiter gekämpft.

Stur nach den militärischen Prinzipien, wer hat die besten Gebirgsjäger, wer baut die besten Schützengräben und so weiter«, erläutert der Historiker Krumeich. Einen Sieg konnten hier oben weder Franzosen noch Deutsche erringen. Die Deutschen konnten den Feind nicht vom Berg vertreiben, die Franzosen ihn nicht vollständig besetzen. 30 000 Soldaten starben, weil die Militärstrategen beider Seiten unbedingt ihre Prinzipien durchsetzen wollten. Der Irrsinn des Stellungskrieges lässt sich hier bis heute besonders anschaulich verdeutlichen.

Auf dem Aussichtsfelsen des Hartmannsweilerkopfes steht ein weißes Gipfelkreuz. Jedes Jahr kommen viele zehntausend Besucher hierher, die Hälfte davon sind Deutsche. Noch immer finden sich viele Kilometer Schützengräben, Bunker und Unterstände. Spaziergänger sollen auf Kreuzottern achten.

Seit ein paar Jahren gibt es erste zaghafte Versuche, aus dem ehemaligen Schlachtfeld einen gemeinsamen französisch-deutschen Gedenkort (Historial) zu machen. François Hollande und Joachim Gauck legen am Sonntag hier oben gemeinsam den Grundstein dafür.

Vor einiger Zeit bereits haben auf der Kuppe hier oben eine deutsche Reservistenkameradschaft und der Verein »Freunde des Hartmannsweilerkopfes« schon mal ein Freundschaftsbäumchen gepflanzt. Es sieht noch etwas mickrig aus.

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