Unsentimentales Spektakel
40 Jahre 2. Bundesliga: Der Ligaverband wählt mit emotionslosem Geschäftssinn das falsche Eröffnungsspiel
Knapp daneben ist auch vorbei. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) konnte, nein wollte mal wieder eine große Chance nicht nutzen. Die Vorlage hatte der SV Darmstadt 98 am 19. Mai 2014 gegeben, als der Klub nach einem 4:2 im Relegationsrückspiel in Bielefeld aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegen war. Nach über 20 Jahren waren die »Lilien« wieder zweitklassig. Und das pünktlich zum Jubiläum: Am 2. August wird die 2. Bundesliga 40 Jahre alt.
Diesen Jahrestag will die DFL also ordentlich feiern. Erstmals startet das Fußball-Unterhaus mit einem Eröffnungsspiel. »Zum 40. Geburtstag haben wir entschieden, am Freitag nur ein Spiel stattfinden zu lassen«, so DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig. Was läge also näher, heute den SV Darmstadt 98 spielen zu lassen? Denn die Hessen waren es schließlich, die am 2. August 1974 beim 1. FC Saarbrücken die allererste Partie in der Geschichte der 2. Bundesliga bestritten hatten. Die DFL aber wählte eine andere Ansetzung: Fortuna Düsseldorf und Eintracht Braunschweig eröffnen um 20.30 Uhr die 41. Spielzeit. »Das sollte ein Kracher mit zwei ehemaligen Bundesligisten sein«, verteidigte Rettig die Entscheidung.
Dieses Kriterium hätten die Darmstädter auch erfüllt, nach den Aufstiegen 1978 und 1981 spielten sie jeweils eine Saison in der 1. Bundesliga. Aber die »Lilien« sind eben nur ein Aufsteiger, der in den letzten 20 Jahren in der Dritt- und Viertklassigkeit verschwunden war und so nicht in die Werbe- und Vermarktungsstrategien der »Erfolgsgeschichte« passt, wie Rettig die 2. Bundesliga bezeichnet. Ihren emotionslosen Geschäftssinn versteckt die DFL nicht mal hinter dem Umstand, dass das Eröffnungsspiel 2014 einen Tag vor dem eigentlichen Jubiläum stattfindet. Aber selbst die Chance, Darmstadt am Sonnabend spielen zu lassen - auf den Tag genau 40 Jahre nach dem ersten Spiel - ließ der Ligaverband ungenutzt. So empfängt der Aufsteiger am Sonntag den SV Sandhausen.
Die Planung der DFL zeugt keineswegs von Geringschätzung gegenüber der kleinen Schwester der ersten Liga. Auch bei seinem Premiumprodukt lässt der Ligaverband keinen Platz für Sentimentalitäten. Als die 1. Bundesliga auf den Tag genau 50 Jahre alt wurde, ließ die DFL nicht Dortmund in Bremen spielen. Am 24. August 1963 war in dieser Partie das erste Tor der Bundesligageschichte gefallen (dasND.de/831184).
Die DFL will Spektakel. So erhofft sie sich von dem Spiel am Freitag einen neuen Zuschauerrekord für einen Saisonauftakt. Den hält bislang die Begegnung zwischen Hertha BSC und Rot-Weiß Oberhausen: Am ersten Spieltag der Saison 2010/2011 kamen 48 385 Zuschauern ins Berliner Olympiastadion.
Im Darmstädter Stadion am Böllernfalltor hätten maximal 16 500 Fans Platz gefunden. Und ein Zuschauermagnet sind die »Lilien« auch nicht. Ein anderer Aufsteiger schon: RasenBallsport Leipzig. Schon in der 3. Liga hatten die Sachsen mit 16 734 Zuschauern pro Spiel einen höheren Schnitt, als es Darmstadt in seinem Stadion überhaupt möglich ist. Das Leipziger Zentralstadion hat knapp 45 000 Plätze, in dieser Saison werden wahrscheinlich nicht selten über 30 000 davon besetzt sein.
Auf so viel Gegenliebe wie in Leipzig stößt RB sonst nirgendwo. Traditionsbewusste Fanszenen anderer Vereine wie Eintracht Braunschweig, 1. FC Union Berlin, FC St. Pauli, VfR Aalen und andere haben zum Boykott der Auswärtsspiele in Leipzig aufgerufen. Und auch Verantwortungsträger anderer Klubs sehen die Rasenballer skeptisch. So auch Düsseldorfs Manager Helmut Schulte: »Ich bin ein großer Freund des Financial Fairplay. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.« Allesamt stört, dass Geldgeber »Red Bull« die totale Kontrolle über den Verein hat und somit die 50+1-Regel, nach der ein Sponsor oder Investor keine Mehrheitsanteile an einem Klub besitzen darf, unterläuft.
Die DFL schert das alles kaum. RB Leipzig musste vor der Saison nur sein Logo ein klein wenig abwandeln, weil es dem Firmenlogo von »Red Bull« zu ähnlich war. Die zweite Bedingung, um die Lizenz zu bekommen, war für die Leipziger ebenfalls kein Problem. Auf der Mitgliederversammlung am 12. Juni wurde die Vereinsführung neu aufgestellt: Der Vorstand wurde neu besetzt, ein Aufsichtsrat gegründet. In beiden Kontrollgremien sitzen jetzt nicht mehr nur Angestellte von RB Leipzig oder Red Bull. Diese Satzungsänderung wurde von allen Vereinsmitgliedern bestätigt: Es sind 14!
»Sie haben die Lizenz erhalten, sie sind daher ein Konkurrent, mit dem man sich auseinandersetzen muss«, so Eintracht Braunschweigs Sportlicher Leiter Marc Arnold kühl. Und was für ein Konkurrent RB ist: Mit 11,2 Millionen Euro belief sich die Hälfte der gesamten Transferausgaben der 2. Bundesliga auf Leipziger Neuzugänge. Und RB hat noch weitere neue Spieler angekündigt. Geld spielt keine Rolle und verspricht der DFL Spektakel. Dass der Ligaverband nicht an seinem Weg zweifelt, zeigen seine Erfolgsmeldungen. »Seit 1981 hat sich der Zuschauerschnitt von 8000 auf über 18 000 erhöht«, freut sich Andreas Rettig. Mit RB Leipzig steigt er sicher noch etwas mehr.
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