Neubau hält mit Nachfrage nicht Schritt

Berlin braucht jährlich 20 000 neue Wohnungen, besagt eine Studie

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Neubau von Wohnungen kommt in Fahrt, aber die Zahl der Fertigstellungen reicht bei weitem nicht aus. Sie müsste sich verdoppeln, besagt eine Studie.

Das Ziel des Senats, pro Jahr mindestens 10 000 neue Wohnungen fertigzustellen, könnte frühestens 2015 erstmals in dieser Legislaturperiode erreicht werden. Zu dieser Einschätzung kommt eine Studie des Analyse- und Beratungsunternehmens Bulwiengesa im Auftrag der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Um den Bedarf infolge des Bevölkerungsanstiegs zu decken, werden in den kommenden fünf Jahren jedoch jährlich rund 20 000 neue Wohnungen gebraucht, sagte gestern Bulwiengesa-Vorstand Andreas Schulten.

Die Zahl der Neubauten für Mietwohnungen wachse aber rasant, sagte Schulten. In diesem Jahr würden rund 6800 Wohnungen fertiggestellt, doppelt so viele wie 2013. Derzeit seien 191 Projekte mit 13 900 Wohnungen in konkreter Planung oder schon in Bau. Nachdem vor 2009 der Geschosswohnungsbau mit etwa 1000 Wohnungen jährlich fast zum Erliegen gekommen sei, »geht nun richtig was los«, so Schulten. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind an dem Neubauboom derzeit mit 29 Prozent beteiligt. Hauptakteure sind weiter privatwirtschaftliche Investoren, die derzeit etwa 63 Prozent der Wohnungsprojekte planen und realisieren. Genossenschaften und Baugruppen sind zu 7,5 Prozent beteiligt. Die Chefin der Howoge, Stefanie Frensch, erwartet, dass der kommunale Anteil in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Während sich die Privaten besonders auf Mitte konzentrieren, wo insgesamt 2060 Wohnungen entstehen, bauen die kommunalen Unternehmen vor allem in Treptow, Lichtenberg und Pankow.

Gebaut werden immer noch vor allem Eigentumswohnungen. Nur 36 Prozent von den in diesem Jahr fertiggestellten Wohnungen können gemietet werden. Ein Großteil der Eigentumswohnungen werde aber auch vermietet, so Schulten. Die sehr geringe Anzahl von Wohnungswechseln innerhalb der Stadt ist laut Studie aber ein Zeichen dafür, dass sich die Nachfrage nach Mietwohnungen weiter verschärfen werde.

Die Howoge will bis 2016 mit dem Bau von insgesamt 1800 Wohnungen beginnen. Die Treskowhöfe in Karlshorst mit gut 400 Wohnungen sind bereits in Bau, etwa ebenso viele sollen im einstigen Kinderkrankenhaus Lindenhof entstehen. Auf dem sogenannten Freudenberg-Areal in Friedrichshain kooperiert sie mit dem Investor Bauwert, dem sie 122 der 660 geplanten Wohnungen abkauft. Dank Fördergelder des Landes sollen diese für 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Ein solches Modell könne bei umstrittenen Bauvorhaben zu mehr Akzeptanz führen, so Frensch. Gegen das Freudenberg-Projekt bereitet eine Anwohnerinitiative ein Bürgerbegehren vor, weil sie die Bebauung für zu dicht hält. Bei all ihren Projekten versucht die Howoge, zehn bis 20 Prozent der Wohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter anzubieten.

»Wir nehmen unseren Auftrag ernst und werden wieder zur Baugesellschaft«, sagte die Howoge-Chefin. Dank des Neubaus werde sich der Wohnungsmarkt in vier bis fünf Jahren entspannen. Frensch und Schulten warnten jedoch vor Aktionismus wie in den 90er Jahren, als infolge der überzogenen Bevölkerungsprognosen jährlich bis zu 27 000 Wohnungen fertiggestellt wurden. Danach habe die Stadt eine kritische Entwicklung genommen, erinnerte Schulten in Anspielung auf die Bankgesellschaft. Folge: Der Wohnungsleerstand stieg besonders in einigen östlichen Stadtteilen auf über zehn Prozent, die Neubaumieten sanken und der Wohnungsbau kam fast zum Erliegen.

Heute ginge es um eine soziale und nachhaltige Entwicklung, um Leerstände von morgen zu vermeiden, heißt es in der Studie. Den Bau von bis zu 20 000 Wohnungen jährlich hält Frensch mit den derzeitigen Instrumenten auch nicht für möglich. Laut Schulten sind dafür die Baupreise derzeit auch viel zu hoch.

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