- Kommentare
- Das kann weg!
Leistungsschutz
Leo Fischer war Chefredakteur des Nachrichtenmagazins »Titanic«. An dieser Stelle kümmert er sich vierzehntäglich um den liegen gelassenen Politikmüll und dessen sachgemäße Entsorgung
Die deutsche Presse hat’s schwer. Sie kämpft mit Gewerkschaftern und Autoren, die die Preise kaputtmachen wollen; sie ringt mit ultraaggressiven Konkurrenten wie »tagesschau.de«; und sie wehrt sich gegen vermummte Netzpiraten, die nur darauf warten, den heißen Exklusiv-Content des Dünklinger Tagblatts schwarz auf Disketten zu brennen.
Doch ist die Presse nicht ohne Verbündete. Sie steht unterm besonderen Schutz des Grundgesetzes (näheres regelt die Polizei), eine Vielzahl von Pressezüchtervereinen kümmern sich um ihren Fortbestand, und neuerdings gibt es sogar ein Gesetz, das den deutschen Blätterwald endgültig zum Naturreservat adelt, das Leistungsschutzrecht.
Seit einem Jahr ist es nun in Kraft. Unermüdlich dafür aufgerieben hat sich hauptsächlich Springer-Chef Mathias Döpfner, der den Alleinvertretungsanspruch von »Bild« in Sachen Porno, Hass und Prostituiertenwerbung durch die Suchmaschinen mit Recht bedroht sieht. Denn Google, der Große Satan, und Perlentaucher, der Kleine Satan, zitieren gelegentlich Ausschnitte aus Presseberichten, ohne dafür zu bezahlen, und das geht ja nun nicht.
Döpfner weiß, wie man im Netz Geld verdienen kann. Er ist Erfinder von »Bild plus«, einer Art Freemium-Version von »Bild«, wo man die Wundmale der geschundenen Jenny Elvers nur dann unverpixelt sieht, wenn man Döpfner einen Euro zusteckt. Oder eine der zahllosen 1:1-Kopien im Internet anguckt, denn wen Springer noch nicht vollkommen verblödet hat, der findet das Bild-Material so mühe- wie kostenlos wieder.
Aber was für Leute klicken so etwas an? Und was für Leute halten es für eine Innovation, für Journalismus gar, an Busen und blaue Flecken kostenpflichtig heranzuzoomen? Und warum hat die Politik nichts Besseres zu tun, als Döpfners Ekelportal mit maßgeschneiderten Gesetzen höhere Weihen zu verleihen? Es können doch unmöglich alle Zuständigen Unsinn auf Diekmanns Anrufbeantworter gesprochen haben, so viele Wulffs kann auch »Bild« nicht zu Fall bringen!
Nein, es liegt nicht nur an der Hemdsärmeligkeit, der Rückständigkeit der deutschen Medienpolitik, die technisch zehn, juristisch fünfzehn und moralisch fünfzig Jahre zurückliegt. Es liegt auch an Redaktionen, in denen die Wahrheit, dass viele Zeitungen überhaupt nur mehr wegen Google existieren, als Geheimnis gehandelt wird; es liegt an Verlegern, die sich als Kämpfer fürs Abendland inszenieren und dafür mit Springer ins Bett steigen. Bis bewiesen wurde, dass diese Art Presse überhaupt eine Leistung erbringt, kann das Leistungsschutzrecht ruhig erst mal wieder weg.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.