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Ein UN-Einsatz gegen die Grausamkeiten

Die von Dschihadisten bedrohten Minderheiten in Irak brauchen Hilfe. Aber durch wen? Die Linkspartei darf sich in der Debatte nicht wegducken

  • Dominic Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Schreckensbilder werden auch hierzulande eindringlicher. Endlich erfährt die Welt mehr von den Gräueltaten der Terroristen des »Islamischen Staates« (IS). Über Monate wurden in der Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit und Politik der Krieg und das Morden der IS in Syrien und Irak nur unzureichend zur Kenntnis genommen.

Die dramatische wie tödliche Zuspitzung der Situation in Syrien und Nordirak in den letzten Wochen und Tagen aber, haben auch in Deutschland eine Debatte darüber entfacht, wie den Menschen in der Region geholfen – nein, wie im wahrsten Wortsinne ihr Leben gerettet werden kann. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, zurzeit selbst in der Region, beschreibt authentisch und unmittelbar die Grausamkeiten der Terrorarmee gegenüber der Zivilbevölkerung und nennt diese »barbarisch«. Angesichts der hunderten Toten und tausenden von Flüchtlingen, den Augenzeugenberichten, Bildern und Filmdokumentationen trifft diese Beschreibung.

Auch in der Partei DIE LINKE ist eine Debatte darüber begonnen worden, wie ein drohender Genozid an Jesiden, Christen und auch Muslimen in der Region doch noch verhindert werden kann.

Richtig ist, dass der aktuelle Krieg im Norden des Irak ein Resultat des Krieges der USA und ihrer Verbündeten im Land seit 2003 ist. Richtig ist auch, dass Krieg und Gewalt immer nur neue Gewalt erzeugen und die Geschichte allzu oft bewiesen hat, dass das, was man mittels Krieg zu verhindern suchte, am Ende gerade erst dadurch neu entstehen konnte. Richtig ist zudem, dass die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak angefacht und bestimmt werden, durch politisch-religiöse Auseinandersetzungen im politischen Zentrum, in Bagdad.

Die LINKE-Abgeordnete Christine Buchholz spricht in diesem Zusammenhang davon, dass »die Lösung der Probleme im Irak, wie in Syrien, nur aus dem Innern der Gesellschaft heraus erwachsen kann«. Weiter schreibt sie: »Ohne den Sturz des Maliki-Regime von unten und eine Demokratisierung des Iraks, wird die sektiererische Logik des Konflikts nicht zu brechen sein«. Offen lässt sie, wie in einem kriegszerstörten Land, welches sich gerade auf dem Weg in einen neuen Krieg befindet, diese Demokratisierung überhaupt entstehen kann. Und durch wen und wie eigentlich?

Richtig ist, dass es eine Lösung der Lage im Norden des Irak nicht geben kann, ohne Druck auf weitere Einflussmächte in der Region auszulösen. Das bedeutet unter anderem den Stopp aller Waffenexporte – nicht nur aus Deutschland, sondern des gesamten Europäischen Raums – in die Region, beispielsweise an Saudi-Arabien. Weiter bedeutet dies die Aufnahme neuerlicher Friedens- und Waffenstillstandsabkommen mit der syrischen Regierung und eine Stärkung der kurdischen Autonomiegebiete in Syrien, sowie die Anerkennung der Kurden in der Region als Verhandlungspartner. Gleichzeitig gilt es, die Finanzströme von und zu IS abzuklemmen und den Flüchtlingen in den umkämpften Gebieten unmittelbar humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Wasser, Nahrungsmittel, Kleidung sind angesichts der klimatischen Bedingungen und abgeschnittener Rettungswege lebensrettend.

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik des LINKE-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi im ARD-Sommerinterview an dem NATO-Mitglied Türkei vollkommen gerechtfertigt, dessen Regierung die IS hat gewähren lassen und die Position der Kurden in der Region als innenpolitisches Problem betrachtet und entsprechend agiert.

Falsch hingegen wäre es, eine Bombardierung der Stellungen der IS durch die USA zu unterstützen – angefordert durch eine nicht-existente Regierung im Irak - oder die gerechtfertigte Ablehnung US-amerikanischer militärischer Alleingänge mit dem Verweis auf die »Selbstverteidigungskräfte« der Kurden argumentativ zu untersetzen. Genauso falsch wäre es aber auch, damit die Debatte über militärische Aktionen zur Zurückdrängung der IS - auch an einen Verhandlungstisch - zu beenden.

DIE LINKE kann sich gerade wegen ihres humanistischen und antimilitaristischen Gründungskonsenses hier nicht wegducken. Sie muss sich vielmehr mit der Frage auseinandersetzen, ob nach Abwägung aller Umstände und Informationen, die nunmehr auch durch unabhängige nichtstaatliche Organisationen vorliegen, ein Einsatz der Vereinten Nationen zum Schutz der Geflohenen und den quasi in IS-Geiselhaft befindlichen Menschen in der Region gerechtfertigt wäre.

Ziel muss sein, die Zivilbevölkerung zu schützen und aus dem Kriegsgebiet, aus den Regionen in denen sie Zuflucht gesucht haben, zu evakuieren. Dies allein den kurdischen Selbstverteidigungskräften zu überlassen, ist keine Handlungsoption. Es ist doch gerade Aufgabe der UNO, des Sicherheitsrates, den Schutz bedrohter und verfolgter Menschen vor Ort zu garantieren und durchzusetzen, wenn dort andere staatliche Sicherheitsstrukturen fehlen.

Die Auseinandersetzung mit dieser Frage ist für DIE LINKE eben kein Türöffner für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sie kann vielmehr zur Stärkung internationaler Institutionen beitragen und verhindern, dass die USA, die wesentlich für die aktuelle Situation verantwortlich zeichnen, ausgerechnet auch für deren Lösung herangezogen werden. Eine konkrete Debatte aber über ein Handeln der UNO, konkret diskutiert an Zielen, Zeitraum, Umfang und Aufgaben ist meines Erachtens dringend notwendig.

Die Partei DIE LINKE muss sich außerdem damit auseinandersetzen, was genau darunter zu verstehen ist, wenn ihr Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi – und er nicht allein – darüber nachdenkt, wie der »Widerstand und die Kurden« in Syrien, Irak und der Türkei zu stärken seien. Eine Streichung kurdischer Organisationen von der - höchstrichterlich umstrittenen - sogenannten EU-Terrorliste kann dabei nur ein Schritt von vielen sein.

Auch die Bundesregierung und die Europäische Union machen es sich zu einfach, allein die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien und Irak, die man bereit ist aufzunehmen, nach oben zu korrigieren - diesen aber den Weg in sicheres Gebiet allein zu überlassen.

Dominic Heilig ist Bundessprecher des forum demokratischer sozialismus in der Linkspartei

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