Die Zeit der Zweifler ist vorbei
Die sehr junge deutsche Mannschaft geht mit viel Selbstbewusstsein in die Leichtathletik-EM in Zürich
Diskuswerfer Robert Harting und Kugelstoß-Weltmeister David Storl sind auf Gold programmiert, Rekordsprinter Julian Reus will den nächsten Turbo zünden und der Rest der deutschen Mannschaft Leichtathletik-Europa aufmischen: Die deutschen Läufer, Springer und Werfer sind heiß auf die an diesem Dienstag beginnenden EM-Tage von Zürich. Obwohl einige Stars wie Stabhochsprungweltmeister Raphael Holzdeppe, Speerwurfkönigin Christina Obergföll oder der mit einer Prothese springende Markus Rehm im legendären Letzigrund fehlen werden, sind die Aussichten für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) bestens.
»Wir sind in der Breite so gut aufgestellt wie seit Jahren nicht mehr, der Trend der Vorwärtsbewegung hat sich in dieser Saison fortgesetzt. Auch im Laufbereich haben wir aufstrebende Talente, die ins Rampenlicht drängen«, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop und hofft für Zürich auf viel Edelmetall: »Wir wollen unter den Top Drei des Medaillenspiegels landen, und ich denke, wir können guter Dinge sein.« Vor zwei Jahren in Helsinki holten die deutschen Athleten sechsmal Gold und insgesamt 16 Medaillen. Bei einer optimistischen Schätzung sind in Zürich sogar bis zu 20 Medaillen drin. »Wir wollen keine Mannschaft sehen, die an sich zweifelt«, sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen.
Für die Highlights sollen wieder einmal die starken Männer Harting und Storl sorgen. »Ich halte international alle drei Titel, und ich habe sicher nicht vor, einen davon abzugeben«, sagte ein nimmersatter Olympiasieger, Welt- und Europameister Harting, der das deutsche Team als Kapitän anführt. In Zürich kann der Berliner - im Diskuswurf einzigartig - die fünfte große Meisterschaft in Serie gewinnen. Doch sein Dauerrivale Piotr Malachowski aus Polen, mit 69,28 m vor Harting (68,47) Jahresweltbester, will ihm einen Strich durch die Rechnung machen.
Wie Harting hat auch Storl zuletzt in Kienbaum an der Form gefeilt. Der Titelverteidiger aus Chemnitz kann sich eigentlich nur selbst schlagen, führt mit mehr als einem halben Meter Vorsprung die europäische Bestenliste an. Doch Storl hat neben Gold noch ein weiteres Ziel ausgegeben: Den ersten 22-Meter-Stoß seiner Karriere - auch wenn zuletzt der Rücken etwas zwickte. »Wenn ich in Zürich 22 Meter stoße, ist mir der Platz fast egal«, sagte der Sachse mit einem Augenzwinkern. Auch für seine Disziplinkollegin und Vizeweltmeisterin Christina Schwanitz vom LV Erzgebirge zählt nur Gold.
Im Schatten der Etablierten wollen sich zahlreiche Neulinge auf der großen Bühne profilieren, allen voran Julian Reus. Der schnelle Mann aus Wattenscheid knackte zuletzt mit 10,05 Sekunden über 100 m den deutschen Uraltrekord von Frank Emmelmann aus dem Jahr 1985. »9,99 sind machbar. Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen«, kündigte Reus kürzlich an.
Auch die Auftritte der erst 20-jährigen Weitspringerin Malaika Mihambo, die zuletzt 6,90 m sprang, Diskuswerferin Shanice Craft (Mannheim), 1500-m-Läufer Homiyu Tesfaye (beide 21) und Zehnkämpfer Kai Kazmirek (23) werden mit Spannung erwartet. Der Altersschnitt der »DLV-Rasselbande« beträgt nur 25,2 Jahre. »Dies ist das jüngste DLV-Team seit 1990 bei einer EM«, sagte Kurschilgen: »Eine Medaillenvorgabe gibt es nicht.« Stattdessen solle das Team mit Mut, Leidenschaft und Entschlossenheit in die Wettbewerbe gehen.
Insgesamt werden bei der EM rund 1400 Athleten in 47 Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze kämpfen. Der DLV stellt mit 92 Athleten die größte deutsche Mannschaft seit 1998 - trotz der Ausfälle von so prominenten Athleten wie Holzdeppe (verletzt), Obergföll (Babypause) oder Rehm. Der unterschenkelamputierte Weitspringer wurde trotz des nationalen Meistertitels wegen möglicher Vorteile durch seine Prothese nicht vom DLV nominiert. SID/nd
Zeitplan am Dienstag
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