NSU-Ausschuss Thüringen: Linke legt Sondervotum vor

Papier betont unberücksichtigte Aspekte / König: Es gibt bisher unbekannte Unterstützer / Sondervoten auch von FDP und CDU: Überfälle nicht ausreichend erhellt, falsches Bild über Polizei

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Berlin. Mitglieder der Linkspartei im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss haben zum Abschlussbericht des Gremiums ein Sondervotum abgegeben. »Dem gemeinsam erarbeiteten Abschlussbericht können wir uns vorbehaltlos anschließen. Aus unserer Sicht sind jedoch Aspekte nicht oder nicht ausführlich genug thematisiert, welchen wir mit unserem Sondervotum Raum geben wollen«, erklärte die Obfrau der Linke-Fraktion im Thüringer Landtag, Katharina König, am Dienstag in Erfurt. Dieses Zusatz-Dokument umfasse 86 Seiten.

Der Abschlussbericht wurde am 16. Juli einstimmig beschlossen. In ihrem Sondervotum betont die Linke nach eigenen Angaben, dass sie die Terrorzelle als ein auch in Thüringen tief verankertes Netzwerk sieht. Für sie stehe fest, dass es mehr als die bisher bekannten Unterstützer des NSU gegeben haben müsse, »welches die Taten praktisch oder ideologisch unterstützte«, sagte König. Man betone zudem deutlicher als im Abschlussbericht den direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken des Neonazismus in den 1990er Jahren und dem damals vorherrschenden gesellschaftlichen Klima. »Die rassistisch aufgeladene Debatte um den so genannten Asylkompromiss, die verheerende Gleichsetzung von Links und Rechts im Rahmen der Extremismustheorie und die Problematisierung antifaschistischen Engagements waren Elemente eines gesellschaftlichen Klimas, das Neonazis eher bestärkt als geschwächt hat«, sagte König.

Ausschussmitglied Dieter Hausold sagte, dass »dem systemischen Versagen des Verfassungsschutzes« dessen »ideologiegeprägte, verharmlosende Vorgehensweise« zugrunde liege. »Der eigentliche Feind steht links war Grundannahme allen geheimdienstlichen Handelns«. Seine Parteikollegin Sabine Berninger verlangte, dass V-Leute-System »unverzüglich und konsequent« zu beenden. Der Verfassungsschutz solle »zugunsten einer Informations- und Dokumentationsstelle ohne geheimdienstliche Befugnisse aufgelöst werden«.

Der Untersuchungsausschuss hatte sich mehr als zwei Jahre mit Fehlern und Defiziten der Sicherheitsbehörden bei der Fahndung nach den späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe befasst. Die späteren Mitglieder des »Nationalsozialistischen Untergrunds« waren in den 1990er Jahren in Jena aufgewachsen, hatten sich in Thüringen politisch radikalisiert und waren im Januar 1998 untergetaucht. Dem NSU werden mindestens zehn Morde sowie zahlreiche Banküberfälle in ganz Deutschland zur Last gelegt. Auch CDU und FDP haben Sondervoten abgegeben. Beide Fraktionen verweisen ebenfalls auf noch zu klärende Fragen oder unterschiedliche Bewertungen.

Der FDP-Abgeordnete Heinz Untermann sieht ein Defizit darin, dass NSU-Überfälle in Arnstadt und Eisenach nicht ausreichend erhellt werden konnten. Der CDU-Abgeordnete Jörg Kellner erklärte, der Bericht vermittle zum Teil »eine unrealistische Sicht auf die Arbeitsweise von Polizei und Nachrichtendiensten« in den 90er Jahren. Die Linke betont in ihrem Sondervotum nach eigenen Angaben, dass sie den NSU als ein auch in Thüringen tief verankertes Netzwerk sieht. dpa/nd

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