Stolpern über die »Stolperschwelle«
In der Völklinger Hütte im Saarland soll eine Gedenktafel an die Zwangsarbeiter der NS-Zeit erinnern - aber über Ort und Aufschrift gibt es Streit
Völklingen. Wenige Tage vor der Verlegung einer »Stolperschwelle«, mit der am Weltkulturerbe Völklinger Hütte an die Zwangsarbeiter der NS-Zeit erinnert werden soll, gibt es Streit um das Projekt. In einem offenen Brief kritisierte Weltkulturerbe-Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig die Wahl des Ortes als unwürdig. Außerdem sei der Text der Schwelle, den ein Aktionsbündnis in Absprache mit dem Künstler Gunter Demnig (»Stolpersteine«) formuliert hat, historisch unangemessen. Er schlug Alternativen vor. Ein Sprecher des Bündnisses wies Grewenigs Bedenken zurück. Zuvor hatte die »Saarbrücker Zeitung« über den Streit berichtet.
Bei einem Treffen am Dienstag tauschten Grewenig und Vertreter des Aktionsbündnisses ihre Positionen aus, zugleich entspannte sich die Lage. »Es geht uns beiden um das Gedenken an die Opfer der Zwangsarbeit, die auf der Hütte ausgebeutet wurden und zu Tode kamen«, sagte die Sprecherin des Bündnisses, Caroline Conrad, danach. Unterschiedliche Ansichten bestünden hinsichtlich der Form des Gedenkens. Nach Conrads Angaben hat das Bündnis Grewenig zur Verlegung der Platte am 19. August eingeladen, er habe auch zugesagt.
Grewenig sagte, es sei ein gutes Gespräch gewesen. »Wir sind ja in der Zielsetzung überhaupt nicht auseinander.« Verschiedene Ansichten bestünden in formalen Fragen und hinsichtlich der Beschriftung. Er habe aber an der vorgesehenen Stelle keine Möglichkeit einzugreifen. Die Völklinger Hütte werde den Zwangsarbeitern nun ein eigenes Denkmal errichten, an dem man schon lange arbeite, zudem werde das Thema im September in einer Ausstellung behandelt.
Die 67 mal 10 Zentimeter große Gedenktafel des Aktionsbündnisses soll vor dem Besucher-Haupteingang an das Schicksal Tausender Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in der Hüttenstadt erinnern. Die vorgesehene Inschrift soll lauten: »Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke 1941-1944/Zwangsarbeit für den deutschen Endsieg/Tausende müssen unter Zwang für die deutsche Rüstung arbeiten/Unterernährt - Misshandelt - Arbeitsunfall - Krank/Hunderte verlieren ihr Leben.«
Nach Grewenigs Auffassung ist es würdelos, dass die Tafel auf einem 2,30 Meter breiten Bürgersteig verlegt wird, auf dem mehrmals in der Woche Müllcontainer stehen und an dem täglich 20 000 Autos entlang fahren. Auch seien wegen der Plakette Besucherstaus und eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu befürchten. Als Ort schlägt er unter anderem einen Platz auf der anderen Straßenseite vor. Der Text solle »Im Gedenken an die Opfer der Zwangsarbeit in der Völklinger Hütte« lauten und auch in den Muttersprachen der Opfer abgefasst sein.
Andreas Hämig vom Aktionsbündnis sagte, er glaube nicht, dass die in den Boden eingelassene Platte Besucher gefährde. Grewenigs inhaltliche Begründung könne das Bündnis schlecht nachvollziehen. Auch der gegenüberliegende Platz überzeuge nicht als Ort. dpa/nd
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