Großstadtdschungel im Werden

Grün, aber günstiger als Parks: In Leipzig holt ein Modellprojekt den Wald in die Stadt

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Grün in der Stadt ist wichtig für Klima und Erholung. Doch Brachen sind unschön und Parks teuer. In Leipzig holt man sich nun Wald in die Stadt - ein Modellprojekt.

Leipzigs Stadtteil Grünau, in der DDR neu aufgebaut, ist eigentlich schon jetzt ein vergleichsweise grünes Viertel. Auf vielen Flächen aber siedeln sich Bäume und Büsche ungesteuert auf Freiflächen an, ein Bild, wie es auch auf vielen Industriebrachen zu beobachten ist. Für das Stadtklima sind solche Grünflächen wichtig; Anwohner können sich mit derlei städtischer Wildnis aber oft nicht so recht anfreunden. Sie bevorzugen gepflegte Parkanlagen und wollen etwas »fürs Auge«. Solche Anlagen haben freilich aus Sicht der Verwaltung einen gravierenden Nachteil: Ihre Betreuung ist ziemlich teuer - und angesichts vielerorts chronisch leerer kommunaler Kassen oft kaum noch zu bewältigen.

In Leipzig suchte man nun einen Mittelweg zwischen dem Wildwuchs und dem gepflegten Grün - und legt einfach Waldgebiete an. Freie Flächen werden mit Gehölzen bepflanzt, die natürlichen Waldgesellschaften nachempfunden sind. Auf der 5,5 Hektar großen Fläche in Grünau stehen Linden, Bergahorn, Mehl- und Elsbeeren, insgesamt 6000 Pflanzen je Hektar.

Das ist ziemlich grün - und vor allem weitaus kostengünstiger als traditionelle Parkanlagen: Die Anpflanzung kostet fünf bis sieben Euro je Quadratmeter, sagt Jens Schiller vom Bundesamt für Naturschutz (BfN): »Für Parks liegen die Kosten bei 28 bis 70 Euro.« Auch die Pflege ist weit weniger aufwendig. Weil Holz zunehmend gefragt ist, lasse sich künftig vielleicht sogar etwas Geld mit den Stadtbäumen verdienen.

Die Idee, Wald in der Stadt ganz gezielt anzulegen, ist noch ziemlich neu. Die Stadt Leipzig ist dabei der Vorreiter: Die Fläche in Leipzig-Grünau gehört beispielsweise zu einem vom Bundesamt für Naturschutz betreuten bundesweiten Modellprojekt, das bereits seit 2009 läuft und innerhalb dessen insgesamt 15 Hektar aufgeforstet werden sollen.

Dazu genutzt werden in Leipzig das Gelände einer ehemaligen Großgärtnerei, eines stillgelegten Bahnhofs und das Areal in Grünau, auf dem bis zu ihrem Abriss die »Eiger Nordwand« stand, ein 1982 errichteter Elfgeschosser, der im Jahre 2007 dem Stadtumbau weichen musste, weil es viel Leerstand gab und ein Weiterbetrieb der Neubauten insofern zu kostenintensiv gewesen wäre.

Für die Aufforstung dieses Gebietes stellen der Bund und die Stadt zusammen drei Millionen Euro bereit. Das Projekt läuft bis 2016 und stoße bereits jetzt auf Interesse in Städten wie Stuttgart und Magdeburg, sagt Schiller.

Das verwundert nicht; schließlich können laut Schiller »mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden«: Gestresste Städter können sich im Wald erholen, Tiere finden Rückzugsräume, und die grünen Lungen sorgen für Abkühlung und frische Luft in den hektischen Städten.

Das sei angewandter Naturschutz, sagte bei einem Besuch in Leipzig gestern auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): »Es geht nicht nur um den Regenwald, sondern auch um das Lebensumfeld in unserer Umgebung.«

Stadtwälder werden zunehmend an Bedeutung gewinnen, glaubt derweil Olaf Kroggel von der Stiftung »Wald für Sachsen«, die von zahlreichen öffentlichen und privaten Unternehmen unterstützt wird.

Er erinnert an das Ziel des Freistaats, insgesamt 30 Prozent seiner Fläche für den Wald zur Verfügung zu stellen. Das wären 554 000 Hektar. Binnen zehn Jahren konnten aber nur 7400 der fehlenden 29 000 Hektar aufgeforstet werden - und wegen des Baus von Straßen, Siedlungen und Stromtrassen werden geeignete Flächen immer knapper.

Ein Ausweg könnte es daher sein, neue Wälder auch in den Städten anzulegen.

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