Kiew: Separatisten töten Flüchtlinge in Ostukraine
Aufständischen weisen Vorwurf zurück, einen Flüchtlingskonvoi angegriffen zu haben
Berlin/Kiew. Das internationale Ringen um eine Waffenruhe hat die Kämpfe in der Ostukraine nicht stoppen können. Die prowestliche Führung in Kiew warf den prorussischen Separatisten sogar vor, einen Flüchtlingskonvoi angegriffen zu haben. Viele Menschen seien getötet worden, darunter Frauen und Kinder, erklärte der Sicherheitsrat in Kiew am Montag. Die Aufständischen wiesen den Vorwurf zurück.
Nach einem fünfstündigen Treffen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinen Kollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine stellte die Führung in Kiew Bedingungen für eine Feuerpause. Außenminister Pawel Klimkin sagte, die Grenze nach Russland müsse gesichert werden, damit keine Waffen an die Separatisten geliefert werden können. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) solle die Waffenruhe überwachen. Die Aufständischen sollten zudem alle Gefangenen freilassen, verlangte Klimkin.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte Kiews Bedingungen scharf kritisiert und ein Ende des ukrainischen Militäreinsatzes gefordert. »Wir wollen eine uneingeschränkte Waffenruhe, aber die ukrainischen Kollegen rücken von ihren Bedingungen leider nicht ab«, sagte er.
Lawrow schloss nicht aus, dass bei einem künftigen Treffen auch eine Vereinbarung unterzeichnet werden könnte. Die Außenminister wollen nach Konsultationen mit ihren Staats- und Regierungschefs an diesem Dienstag darüber entscheiden, ob sie die Gespräche fortsetzen.
Die Separatisten in Donezk führten am Montag die Todesstrafe unter anderem für Plünderer ein. Nach dem Krieg würden die Aufständischen ihr Strafrecht aber »humanisieren«, sagte »Vizeregierungschef« Alexander Karaman. Die ukrainische Führung erlaubte unterdessen der Polizei im Konfliktgebiet, auch ohne Warnung zu schießen. »Dies erhöht die Sicherheit der Miliz«, sagte Präsident Petro Poroschenko.
Zum angeblichen Angriff auf einen Flüchtlingskonvoi erklärte der Kiewer Sicherheitsratschef Andrej Lyssenko, er habe sich in einem umkämpften Gebiet südöstlich der Separatistenhochburg Lugansk ereignet. Die Zivilisten hätten in Armeefahrzeugen gesessen und weiße Fahnen gehabt. Separatistensprecher Konstantin Knyrik sagte, niemand habe eine Flüchtlingskolonne beschossen.
Die Regierungstruppen brachten nach Angaben aus Kiew einen Teil der Rebellenhochburg Lugansk unter ihre Kontrolle. Bei Gefechten seien mindestens 9 Soldaten getötet und 20 verletzt worden, teilte der Sicherheitsrat mit. Die Aufständischen berichteten auch von Kämpfen in Donezk. Dort soll demnach die Wasserversorgung nahezu ganz ausgefallen sein.
Die ukrainische Regierung bekräftigte ihren Wunsch nach militärischer Unterstützung aus dem Westen. Die Armee benötige dringend moderne Waffen, sagte Parlamentspräsident Alexander Turtschinow bei einem Besuch in Litauen. Lawrow hatte den Westen vor Waffenlieferungen gewarnt. Dies würde allen Abmachungen widersprechen.
Mit Nachdruck wies Lawrow erneut Vorwürfe Kiews zurück, russisches Kriegsgerät werde illegal auf ukrainisches Territorium gebracht. Berichte über einen angeblich von der ukrainischen Armee zerstörten russischen Militärkonvoi seien »reine Fiktion«. Er räumte aber eine hohe Konzentration russischer Truppen an der Grenze ein. »Wenige Kilometer von dieser Grenze entfernt findet ein Krieg mit Artillerie, Luftwaffe und möglicherweise ballistischen Raketen statt. Da kann man nicht vorsichtig genug sein«, sagte Lawrow.
Bundesaußenminister Steinmeier bewertete als Gastgeber des Berliner Treffens den Ausgang nicht als unbefriedigend. »Es war ein notwendiges Gespräch in einer schwierigen Zeit«, sagte er.
Lawrow sagte, Einigung sei in Berlin über den russischen Hilfskonvoi für die Ostukraine erzielt worden. Alle Probleme mit der Führung in Kiew und dem Roten Kreuz seien gelöst. »Ich rechne damit, dass diese Hilfe schon in allernächster Zukunft dort ankommt, wo sie gebraucht wird«, sagte Lawrow.
Der Hilfskonvoi mit 280 Lastwagen und 2000 Tonnen Hilfsgütern war am 12. August im Raum Moskau losgefahren, aber an der Grenze aufgehalten worden. Die Ukraine äußert die Befürchtung, dass unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe Waffen in die Ostukraine geschleust werden. dpa/nd
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