Aufbaupläne inmitten der Trümmer
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist im Gaza-Streifen seit vielen Jahren engagiert
Noch ist längst nicht sicher, ob der Waffenstillstand von Dauer sein wird und doch gibt es schon erste Pläne für den Wiederaufbau. Norwegen leitet das Komitee zur Koordinierung der internationalen Hilfe für die Palästinenser und hat gestern eine Geberkonferenz für den Wiederaufbau in Kairo angekündigt, sobald Israelis und Palästinenser sich auf eine dauerhafte Waffenruhe geeinigt haben. Wenn die Raketen schweigen, kommt die Stunde der Geber und ihrer Koordination. Dabei geht es darum, die akut notwendige Nothilfe mit den langfristigen Entwicklungszielen in Einklang zu bringen. Die Schadensbehebung dürfte Jahre benötigen. Erste Schätzungen gehen von sechs Milliarden Euro aus, die für die Wiederherstellung der Infrastruktur und der Behausungen im Gaza-Streifen benötigt werden. Dabei gibt es für die Palästinenser zwei Prioritäten: Die Wasserversorgung der Bevölkerung und der ungehinderte Zugang ins Ausland - sei es über die Sanierung des Flughafens oder den Bau eines Seehafens. Und auch wichtige Straßenverbindungen müssen rekonstruiert werden. Auf allen Gebieten hängen die Palästinenser hochgradig von Israel ab.
Auch Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Gaza-Streifen blieben von den Granaten und Raketen der israelischen Armee nicht verschont. Die Trinkwasserversorgung war bereits in den Nichtkriegszeiten der Waffenruhe Hauptproblem in Gaza, zumal der Haushaltsverbrauch mit dem Bedarf der Landwirtschaft konkurriert. Vor allem die Produzenten von Zitrusfrüchten beklagen eine zunehmende Versalzung der Böden aufgrund von Wassermangel. Das Grundwasser reicht nur noch für die Hälfte des tatsächlichen Verbrauchs. Hier die Lage zu verbessern, war ein Ziel der EZ in dem dicht bewohnten Gebiet. Die Frage der Wasserversorgung ist dabei aufs Engste mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt verknüpft. Denn die Wasserressourcen stehen seit 1967 unter israelischer Kontrolle.
Bezüglich der Schäden an den von Deutschland geförderten Infrastruktur-Vorhaben berichtet ein Sprecher des Entwicklungsministeriums: »Nach bislang vorliegenden Informationen sind einige von Deutschland geförderte Vorhaben im Zuge der gegenwärtigen Gaza-Krise betroffen, darunter ein Vorhaben zur Verbesserung der Abfallentsorgung, eine Gesundheitsstation und ein Marktgebäude sowie das Klärwerk, das Teil eines größeren Vorhabens zur Verbesserung der Abwassersituation im Gazastreifen ist. Das Klärwerk befindet sich nach Angaben der lokalen Partner vor Ort größtenteils weiterhin in Betrieb, allerdings sind einige Pumpstationen beschädigt oder können aufgrund der unterbrochenen Energieversorgung nicht betrieben werden, so dass Abwasser teilweise die Kläranlage nicht erreicht, sondern ungeklärt ins Meer fließt. Da die Sicherheitslage vor Ort weiterhin extrem angespannt ist, kann derzeit noch keine unabhängige Beurteilung des jeweiligen Grades der Beschädigung erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass noch weitere deutsche Vorhaben im Gazastreifen betroffen sind. Eine Gesamtübersicht kann erst nach einer Verbesserung der Sicherheitslage erstellt werden.« Die staatliche Entwicklungsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die einen Teil der deutschen Projekte durchführt, berichtet ebenfalls von Schäden. Insgesamt hat die KfW ein Investitionsvolumen in beiden palästinensischen Gebieten von 530 Millionen Euro. Beschädigt wurden unter anderem Abwasserpumpstationen und eine Kläranlage in Gaza Stadt sowie eine von der KfW gebaute Marktanlage.
Private Hilfswerke versuchen derweil durch die Verteilung von Tabletten zur Trinkwasserdesinfektion den Ausbruch von Krankheiten wie Cholera zu verhindern. Doch kann dies nur eine kleine Übergangshilfe sein. Die Pläne für eine Meerwasser-Entsalzungsanlage sind vorerst dem Krieg zum Opfer gefallen und sind allenfalls mittelfristig zu realisieren.
Die Gebergemeinschaft muss auch helfen, den 50 000 obdachlosen Familien rasch Unterkünfte bereitzustellen. Die Wiederaufbauphase wird ein hohes Maß an Koordination zwischen westlichen bilateralen Gebern, islamischen Hilfsorganisationen und multilateralen Gebern wie der Weltbank erfordern. Das Washingtoner Institut hat bereits 2,9 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Die Intensität der westlichen Hilfe dürfte allerdings auch davon abhängen, wer im künftigen Palästina politisch das Sagen haben wird und welche Garantien Israel abgeben kann.
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