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Merkels Neuland-Masterplan

Lang angekündigt: Die Bundesregierung präsentiert ihre sogenannte Digitale Agenda

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie startet Deutschland seine digitale Zukunft? Die entsprechende »Agenda« der Bundesregierung enthält viele Unklarheiten. Klar ist nur: Es wird neue Arbeitsgruppen und Kommissionen geben.

»Eine zentrale Aufgabe für Deutschland« nannte Bundeskanzlerin Merkel die »Digitale Agenda« kürzlich. Dieser Masterplan für die digitale Gesellschaft – nicht weniger soll es sein – wird am heutigen Mittwoch im Bundestag vorgestellt. Man hat sich viel vorgenommen: den Breitbandausbau beschleunigen, die IT- und Cybersicherheit verbessern, den Datenschutz reformieren und digitale Bürgerkompetenzen stärken. Ferner will man die Netzneutralität verankern, die Geheimdienste zu mehr Überwachung befähigen und Start-up-Gründungen stärker fördern.


Ob diese »Agenda« für Kanzlerin Angela Merkels sprichwörtliches »Neuland« all dem gerecht wird, darf bezweifelt werden. Vorab bekannt gewordene Entwürfe ernteten viel Kritik: Kompetenzgerangel habe zu Verwässerungen geführt, beanstandete die »Süddeutsche Zeitung«. Das Problem: Das Internet ist ein Querschnittsthema und umfasst alle Teilbereiche der Gesellschaft. Die Zuständigkeit für Netzfragen teilen sich also gleich drei Ressorts: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) redet ebenso wie mit Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) auch mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Da der Onlineverbraucherschutz durch eine Schlichtungsstelle gestärkt werden soll, beansprucht nun auch noch Justizminister Heiko Maas (SPD) Mitsprache. Je genauer man sich die Punkte der »Digitalen Agenda« ansieht, desto mehr Ministerien scheinen involviert.

Dabei war die Kompetenzverteilung mal ganz anders gedacht. Als die entsprechende Enquete vor Jahresfrist ihre Arbeit beendete, stand die Forderung nach einem Internetministerium im Raum. Nach den Bundestagswahlen war in den Koalitionsverhandlungen davon jedoch keine Rede mehr, stattdessen allerorts Kompetenzgerangel. Was blieb, war ein Bundestagsausschuss »Internet und Digitales«, der überwiegend dem Meinungsaustausch zwischen den Parteien dient.

Mit einer »Netzallianz« wollte Infrastrukturminister Dobrindt noch Anfang des Jahres Deutschlands IT-Branche an die Weltspitze bringen. Durch eine »Aufholjagd« wollte er den technologischen Vorsprung der USA und einiger asiatischer Staaten verringern. Bereits im Dezember letzten Jahres hatte er für Deutschland »das schnellste und intelligenteste Netz der Welt« gefordert.

Als erste Aufgabe sollte diese Allianz aus Wirtschaft und Politik den Ausbau der Breitbandnetze angehen. Die vorherige Bundesregierung war damit gescheitert, bis 2014 drei Viertel aller Haushalte in Deutschland mit 50 Mbit/s-Anschlüssen zu versorgen, also der Geschwindigkeit von VDSL-Anschlüssen. Jetzt lässt man sich bis 2018 Zeit, um alle Haushalte zu versorgen. In den Verhandlungen zur Großen Koalition wurde lautstark eine Fördersumme von einer Milliarde Euro angekündigt, wiewohl der TÜV Rheinland 20 Milliarden veranschlagt hatte. Im Koalitionsvertrag blieb nichts mehr davon übrig.

Telekom-Chef Niek Jan van Damme hat vor ein paar Tagen gegenüber dem »Focus« gleich noch fünf Milliarden mehr vom Bund gefordert: 50 Megabit pro Sekunde für 90 Prozent der Bevölkerung erforderten bis 2018 zehn Milliarden Euro. Um die restlichen zehn Prozent in den abgelegenen Gebieten zu versorgen, seien weitere 15 Milliarden notwendig. Wohl im nächsten Jahr wird die Bundesnetzagentur erneut Funkfrequenzen für Mobilfunknetze versteigern. Aus den Erlösen soll der Breitbandausbau mitfinanziert werden, heißt es. Wie aus den erwarteten Millionen die benötigten Milliarden werden sollen, bleibt aber unklar.

Auch die EU-Kommission hatte vor einigen Jahren bereits eine Digitalagenda beschlossen. »Ein schnelles Breitbandnetz ist der erste und wichtigste Schritt«, meinte damals die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes. Ähnliche Pläne gibt es vielerorts. Und viele sind beim Breitbandausbau schon weiter.
Neben Breitbandzugängen wird der IT-Sicherheit eine große Bedeutung zugemessen. Dazu beschrieb de Maizière am Montag in der FAZ seine Pläne: »Die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands sollen die sichersten weltweit werden.« Denn die Bedrohungen im Cyberraum und die Risiken für jeden Einzelnen

seien so groß geworden, dass der Staat eingreifen müsse.
Ob das durch mehr Personal beim Verfassungsschutz zu erreichen ist, wird der Minister noch erklären müssen.

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