«Luci» an die Front

Kurden wollen Waffenhilfe, doch wie weit sollte man ihnen entgegenkommen?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, den Kurden in Nordirak Waffen und Munition zu liefern. Deutschland wird am Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligt. Mit welchem Wissen?

Die Entscheidung, die das Kabinett am Mittwoch gefällt hat, ist keine. Man einigte sich auf ein aufschiebendes Jein und folgte damit der Position der Kanzlerin. Die läuft darauf hinaus, Zeit zu gewinnen und Verbündeten in der EU und der NATO bei der Lieferung von Waffen den Vorrang zu lassen.

Diese Position vertritt offensichtlich auch die Verteidigungsministerin, obwohl Ursula von der Leyen (CDU) die erste Regierungspolitikerin war, die massive militärische Hilfe aufbieten wollte. Waffen im eigentlichen Sinn will von der Leyen nur schicken, wenn man einen Genozid verhindern muss. Bei aller widerlichen Grausamkeit der IS-Milizen - an dem Punkt ist man offensichtlich zum Glück noch nicht.

Insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) engagiert sich für die Belieferung der Peschmerga mit Waffen aus Deutschland. Denn, so bläute er es seinen zum Teil unwilligen Genossen in der SPD ein: Die Kurden in der Region seien «das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden» des Islamischen Staates. Wenn sie von den islamischen Terroristen überrannt würden, seien «die Staatlichkeit des Irak und die Stabilität der gesamten Region in Gefahr», so der Außenamtschef.

Abgesehen davon, dass es in der Region - siehe Syrien - gar keine Stabilität mehr gibt, festzuhalten ist: So schlecht, wie die Lieferbefürworter behaupten, sind die Peschmerga nicht ausgerüstet. Sie haben vor allem simpel zu bedienende leichte und robuste Infanteriewaffen aus sowjetischer oder vergleichbarer Produktion. Solche werden auch von den IS-Milizen genutzt, die erbeuteten US-Hightech-Geräte verwenden sie bis auf die Humvee- und andere gepanzerte Fahrzeuge kaum. Weil sie nicht in ihre Taktik kleiner, schneller Verbände passen.

Als die - im Gegensatz zu den kurdischen Kämpfern hochmotivierten - IS-Milizen plötzlich von der irakischen Hauptstadt abließen und sich gen Norden wandten, überraschten sie die Peschmerga-Verbände, die als effektive Truppe galten. Der Überraschungseffekt ist vorbei.

Den Elite-Ruf hatten sich die so Attackierten in den langen Kriegen gegen die irakischen Streitkräfte in den 1960er, 70er und 80er Jahren erworben. Seither ist die Truppe, wie Experten meinen, aus vielen Gründen träge geworden. Und sie folgt befehlsgemäß einem Kalkül, das nach politischer wie militärischer Aufwertung als Vorleistung verlangt.

Vermutlich sind die Peschmerga deshalb relativ zurückhaltend. Dabei verfügen sie über Dutzende leichte Kampfhubschrauber, mit denen sie die IS-Einheiten unter Druck setzen können. Warum werden sie nicht eingesetzt? Auch schickten die Kurden offenbar keine Transporthubschrauber ins Gebirge, um den fliehenden Jesiden zu helfen. Ähnlich ist das bei der irakischen Luftwaffe. Deren Mi-17 fliegen Angriffe auf kurdische Stellungen. Nur weil man die mit denen der IS verwechselt?

Was die Kurden in Irak aus militärischer Sicht wirklich brauchen, ist ein moderner militärischer Drill, die Einweisung in neue Kampftaktiken. Man kann ahnen, wozu die USA derzeit rund tausend Militärberater im Land haben. Gebraucht wird eine geeinte Führung nicht gegen sondern mit den Resten der irakischen Armee und vor allem geeignete Munition.

Die aber hat Deutschland eigentlich nicht zu bieten. Das Kalaschnikow-Kaliber 7,62mm ist hierzulande ungebräuchlich. Wohl aber gibt es das in Polen oder anderen Ostblock-NATO-Staaten. Und auf dem Weltmarkt bekommt man solche Patronen wie die für andere Sowjet-Kaliber billig. Statt also Waffen zu liefern, von denen man nicht weiß, wer sie wann gegen wen wofür wendet, werben westliche Geheimdienstexperten für eine substanzielle Finanzhilfe. Die ist weniger auffällig.

Gebraucht werden auf große Distanz effektiv wirkende panzerbrechende Waffen. Die deutsch-französische «Milan»-Rakete ist im Gespräch. Sie ist in deutschen Depots verfügbar und soll bei der Bundeswehr ohnehin bis 2016 ausgesondert werden. Doch mit der Lieferung ist es nicht getan. Wer bildet Schützen aus?

Bei anderen von von der Leyen angesprochenen Gerätschaften ist die Bundeswehr nicht so gut ausgestattet. In der Tat sind viele der vorhandenen Schutzwesten alt und so schwer, dass sie bei beweglicher Kampfführung hinderlich sind. Die «Light and Ultra Compact Identify Equipment-Nachtsichtbrillen - kurz »Luci« - wären verfügbar. Ohne sie kann man nachts nur schwerlich töten, mit ihnen schon. Wie viel ist also das Attribut »nichtletal« wert?

Fahrzeuge nannte die Ministerin auch. Doch wie gelangen sie an die Front? Mit Transall-Maschinen? Die sind ohnehin für so lange Lieferstrecken ungeeignet. Jeder gecharterte Airbus transportiert wesentlich mehr und schneller humanitäres und anderes Hilfsmaterial nach Erbil. Auch so gesehen ist die »Spedition Bundeswehr« dafür also nicht die erste Wahl.

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