Debatte um Bundestagsmandat über Waffenhilfe
Lammert sieht parlamentarische Beratung «geboten» / Grüne wollen Sondersitzung in der kommenden Woche / Opposition gegen Lieferung von Waffen
Berlin. Nach der Grundsatzentscheidung der Bundesregierung, zur Terroristenbekämpfung Waffen in den Irak zu liefern, rückt die Frage einer Bundestagsbeteiligung immer stärker in den Fokus. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mahnte eine ausreichende Beteiligung des Parlaments an, ohne sich allerdings die Forderung der Opposition nach einem förmlichen Mandatsbeschluss zu eigen zu machen. «Auch wenn es sich bei den möglichen Waffenlieferungen nicht um den Fall einer notwendigen Mandatierung durch den Bundestag nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz handelt, ist ihre politische Bedeutung doch so groß, dass eine parlamentarische Beratung geboten erscheint», sagte Lammert. Diese Beratung habe mit den Sondersitzungen des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses in dieser Woche «schon begonnen».
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich gegen eine förmliche Abstimmung aus: «Im Fall von Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ist ein eigenes Bundestagsmandat meines Erachtens nicht erforderlich. Dies ist Entscheidung der Bundesregierung», sagte sie der «Rheinischen Post». Es sei aber wichtig, dass die zuständigen Ausschüsse über alle Entscheidungen informiert würden.
Der Außenexperte der Grünen, Jürgen Trittin, hat gefordert, dass der Bundestag künftig nicht nur über Einsätze der Bundeswehr sondern auch über alle Arten von Waffenexporten entscheiden soll. «Wir Grünen fordern, dass Waffenexporte künftig der gleichen Mandatierung durch den Bundestag bedürfen wie die Entsendung von Soldaten», schreibt Trittin in einem Gastbeitrag für die «Rheinische Post»). Er betonte, der Grundsatz «Keine Waffen in Krisengebiete» sei richtig. «Die Lieferung von Waffen in Kriegs- und Krisengebiete hat regelmäßig mehr Schaden als Nutzen gestiftet.»
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» eine Sondersitzung des Bundestag noch in der kommenden Woche. Ihre Partei könnte das zusammen mit den Linken auch durchsetzen. Eine Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei dann «das Mindeste, was wir von der Bundesregierung erwarten», so Göring-Eckardt. «Eine formale Parlamentsbeteiligung scheint rechtlich nicht nötig zu sein, um Waffen aus Bundeswehrbeständen in den Nord-Irak liefern zu können. Aber es gibt eine erklärungsbedürftige Lage mit vielen unterschiedlichen Stimmen auch innerhalb der Koalition.»
Göring-Eckardts Co-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Profilierungsdrang vor. «Ihr geht es allein darum, Tabus zu brechen und sich zu profilieren», sagte Hofreiter. Von der Leyen hatte zuvor gesagt: «Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen und offen zu diskutieren. An dieser Stelle sind wir gerade.» Auch der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner kritisierte ihre Äußerung: «100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs sollten wir wirklich nicht über militärische Tabubrüche reden», sagte er der «Nordwest-Zeitung».
Der Linken-Politiker Jan van Aken sagte, «den Kurden muss unbedingt geholfen werden, dort sterben Menschen, weil Medikamente und Lebensmittel fehlen. Weitere Waffen jedoch werden den Krieg nur eskalieren lassen. Deutschland darf sie auf keinen Fall dorthin liefern. Der Bundestagsabgeordnete verwies auf frühere Waffenexporte. »Seit 2006 hat Deutschland Rüstungsgüter für über 430 Millionen Euro in den Irak geliefert, darunter auch Kampfhubschrauber und Maschinengewehre. Das war schon völlig konzeptlos. Es ist nun purer Aktionismus der Bundesregierung, noch weitere Waffen dorthin zu liefern.« dpa/nd
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