Nahost unter den Schwingen des Todes

Politiker und Diplomaten ratlos nach neuem Ausbruch des Gaza-Kriegs / Israel setzt auf gezielte Tötungen

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.
Israels Militär hat drei Kommandeure der Kassam-Brigaden getötet; vom Gaza-Streifen aus wurden so viele Raketen wie nie zuvor in 24 Stunden abgefeuert.

See- und Flughäfen, eine Aufhebung der Blockade, das Ob, das Wann, das Wie - all diese Dinge scheinen heute weit weg zu sein, obwohl es gerade ein paar Tage her ist, seit dies die Themen waren, über die man in der Region sprach. An diesem Donnerstag wird nicht mehr gesprochen, es wird wieder geschossen, und das intensiver als je zuvor in diesem Krieg.

Aus dem Gaza-Streifen heraus wurden seit dem Zusammenbruch der Waffenruhe am Dienstagnachmittag so viele Raketen wie nie zuvor innerhalb von so kurzer Zeit abgefeuert; Israels Luftwaffe bombardiert wieder Ziele in dem Landstrich. Und Militär und Geheimdienste greifen nun auch die Funktionäre der Essedin-al-Kassam-Brigaden an: Bestätigt wurde der Tod von drei Kommandeuren von Einheiten im Süden des Gaza-Streifens. Bei einem Luftangriff kamen zudem Frau und Kind von Mohammed Deif, dem Oberbefehlshaber des militärischen Flügels der Hamas sowie drei weitere Personen ums Leben; das Schicksal Deifs ist unbekannt. Die Hamas sagt, er sei unverletzt; Quellen in Israel sind hingegen der Ansicht, er sei tot. Insgesamt starben seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe im Gaza-Streifen mehr als 50 Menschen; in Israel wurden mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt.

Bislang hatte Israels Militär auf Angriffe gegen Kommandeure der Kassam-Brigaden und Funktionäre der Hamas weitgehend verzichtet, da man die Tür für Verhandlungen nicht völlig zuschlagen wollte. Doch sowohl israelische Regierungsvertreter als auch Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums halten die diplomatischen Bemühungen für gescheitert. Und ausländische Diplomaten sagen offen, sie seien nun ratlos.

Im Zentrum der Kritik steht die Regierung Katars: Sowohl die palästinensische Regierung in Ramallah als auch die Führung in Ägypten werfen Doha vor, ein Abkommen torpediert zu haben. Man habe Khaled Maschal, dem Chef des Politbüros der Hamas, damit gedroht, das Politbüro aus Katar auszuweisen, falls Maschal einem von Kairo ausgehandelten Abkommen zustimmen sollte.

Katar und Ägypten befinden sich seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im vergangenen Jahr in einer Art von kaltem Krieg; zudem beansprucht Katars Regierung eine Führungsrolle in den Waffenstillstandsverhandlungen für sich. Doch es ist auch so, dass Maschal eine grundsätzliche Führungsrolle in Palästina beansprucht; aus dem Umfeld des Politbüros war massiv kritisiert worden, dass die Entwürfe für ein Waffenstillstandsabkommen die Zugeständnisse Israels aus Sicht der Hamas Präsident Mahmud Abbas als Erfolg zuschrieben und de facto den Einfluss der Hamas in Gaza massiv beschnitten hätten.

Doch auch innerhalb der israelischen Regierung wird der seit Wochen schwelende Streit zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den rechten Koalitionsparteien heftiger. In einer Pressekonferenz am Mittwochabend warf Netanjahu erneut Regierungsmitgliedern vor, mitten im Krieg gegen ihn zu arbeiten. Handelsminister Naftali Bennett kritisierte auf Facebook die Verhandlungen mit der Hamas; ein Sprecher Bennetts sagte zudem, man habe bereits von Anfang an erklärt, dass Verhandlungen mit der Hamas die Lage noch verschlechtern werden. Medien berichteten, es habe einen heftigen Streit zwischen beiden gegeben: Bennett habe Netanjahu gegenüber eine Garantie für einen Verhandlungsverzicht zur Bedingung für einen Verbleib in der Koalition gemacht.

Die gezielte Tötung der drei Kommandeure wird nicht nur die militärischen Strukturen der Hamas weiter schwächen - viele israelische Medien werten den Befehl als politisches Signal, das Netanjahu Wählerstimmen einbringen soll. Denn es mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Ministerpräsident bald seine Regierung umbilden und letzten Endes den Likud-Block ganz verlassen könnte, denn dort stehen Funktionäre und Abgeordnete überwiegend auf Seiten der Rechten.

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