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Subtil donnern die Stiefelabsätze
Uwe Kalbe über eine »Zäsur« der medienpolitischen Wahrnehmung
Die Kurdenkämpfer sind schlecht ausgerüstet, aber wenigstens wettergegerbt, die Angreifer des Islamstaates rollen in apokalyptischer Formation an, um ihre barbarische Herrschaft zu errichten. Wie eine »albtraumhafte Nachstellung aus dem 7. Jahrhundert« mutet dem Reporter von »Spiegel online« die Szenerie an, die er sich von Zeugen des Geschehens schildern ließ - zu denen er offenbar nicht selbst gehört.
Die Sympathien sind klar verteilt in diesem Bürgerkrieg in Irak, der angeblich ein Kampf der Kulturen ist, so dass die Verteilung von Waffen schon nur noch wie eine notwendige Vollendung des Bildes wirkt, das man selbst gezeichnet hat. Die Medien treiben die Politik an. So als hätten sie die Kurdenverbände nicht vor kurzem selbst noch als Inbegriff separatistischer Unberechenbarkeit geschildert, als steckten nicht immer noch Mitglieder der kurdischen PKK in deutschen Gefängnissen, allein wegen Mitgliedschaft in dieser angeblich terroristischen Vereinigung.
Grusel ist das Treibmittel solcher Recherchen. Es ist sicher nicht einfach, der Abscheu ein wenig Abstand zu verleihen, wenn das Grauen so real ist. Und doch ist dieser Abstand notwendig. Der Historie wegen, um mit der Beschwörung des 7. Jahrhunderts nicht einer späten Parteinahme für die nicht weniger barbarischen Horden der Kreuzritter das Wort zu reden. Und der Gegenwart wegen. Um dem Strudel zu entkommen, in den eine zunehmende Flut von Kommentaren den Leser und Zuschauer, aber auch Kommentatoren selbst zieht.
»Nur die Üblichen rufen weiter nach Gebetskreisen, Aspirin und Bäckereien und nach einem Abwarten, dass das Morden weiter ermöglicht«, kommentiert der Mann vom SWR in der »Tagesschau« die Entscheidung über Waffenlieferungen an die Kurden. Und jubelt: »Das ist ein Politikwechsel. Deutsche Waffen in Kriegsgebiete: Das wird von jetzt an kein Tabu mehr sein. Dieser Bruch ist notwendig.«
Von einer Zäsur ist jetzt allenthalben die Rede. Mit dem Beschluss, Waffen an die Kurden zu liefern, sei eine neue Qualität der deutschen Außenpolitik erreicht. Was ist mit der Wirklichkeit der bisherigen Waffenlieferungen in internationale Krisen- und Spannungsgebiete?
Eine Zäsur? Leider ja. Ab sofort wird jede Diskussion über deutsche Außenpolitik an dieser Wegmarke justiert werden. An dieser Zäsur der medialen Militarisierung. Die Friedensorganisation IPPNW kritisiert den »erneuten Tabubruch deutscher Außenpolitik«. Bestimmt nicht in der Absicht, diese Wegmarke zum »Point of no return« zu machen. Aber die parallel zu Claus Kleber im ZDF definierte Markierung eines Tabubruchs wird damit ungewollt einbetoniert.
Ob dies ein zwar folgerichtiges, aber im Grunde spontanes Ergebnis bisheriger Debatten ist oder ein absichtsvoll eingefädeltes Unterfangen, ist dabei eine müßige Überlegung. Im März schrieb der inzwischen verstorbene Frank Schirrmacher über die »Eskalations- und Herzschlagssteigerungssemantik« der Medien. Diese folge »Automatismen, die durch moderne Kommunikationssysteme sich atemberaubend beschleunigt haben«. In einer Spirale von Reaktion und Gegenreaktion vollziehe sich die Meinungsbildung in atemberaubender Geschwindigkeit und nach fester Regel. Offenbar sind auch Eskalationsstufen messbar.
Nicht nach »Kriegsgeschrei und dem Donnern von Stiefelabsätzen« müsse man heute in der Sprache suchen, schrieb Schirrmacher. Das bedeutet allerdings nicht, dass man dabei nicht fündig würde.
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